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Werden Antidepressiva oder andere bestimmte Medikamente miteinander kombiniert oder falsch dosiert kann es zum lebensbedrohlichen Serotoninsyndrom kommen. 

Foto: DARREN STAPLES/Reuters

Wien - Depression und Schmerz sind untrennbar miteinander verbunden: Einerseits erhöht chronischer Schmerz die Gefahr, an Depression zu erkranken, andererseits ist Schmerz auch ein häufiges Symptom einer Depression. Eine komorbide Depression ist bei rund 50 Prozent aller Patienten mit chronischem Schmerz vorhanden. Belastungsfaktoren wie Trauma oder chronischer Stress gelten als potentielle Auslöser sowohl für Depression als auch für chronischen Schmerz.

Antidepressiva haben sich sowohl in der Behandlung der Depression als auch des Schmerzes als wirksam erwiesen. Praktisch alle Antidepressiva (die meistgebrauchte Substanzgruppe sind die sogenannten Serotoninwiederaufnahme-Hemmer - SSRIs) erhöhen die im Gehirn verfügbare Menge des Neuro-Botenstoffs Serotonin - ebenso wie bestimmte Schmerzmedikamente wie etwa Tramadol -  das kann unter Umständen gefährlich werden.

Potenziell lebensbedrohlich

"Wenn aufgrund unbeabsichtigter Wechselwirkungen oder einer Überdosierung spezieller Medikamente der Serotonin-Spiegel zu hoch ansteigt, kommt es zum Serotoninsyndrom, einer potentiell lebensbedrohlichen Arzneimittelneben- wirkung", sagt Schmerztherapie-Expertin Birgit Kraft vom AKH Wien. Das Syndrom sei jedoch keine Arzneimittel- nebenwirkung im engeren Sinn, denn es handelt sich laut Kraft eigentlich um eine Serotoninvergiftung.

Die Komplikation ist keine Seltenheit. Das "Toxic Exposure Surveillance System" in den USA berichtete im Jahre 2004 über 8.187 Patienten, bei denen milde bis schwere Formen des Serotoninsyndroms festgestellt wurden. 103 Betroffene verstarben daran. Kraft: "Experten schätzen jedoch, dass das Serotoninsyndrom deutlich häufiger ist und oft nicht erkannt wird. In Studien dachten bis zu 85 Prozent der befragten niedergelassenen Ärzte bei entsprechender Symptomatik nicht an ein Serotoninsyndrom."

Gefährliche Überstimulation

Serotonin hat zahlreiche Funktionen im menschlichen Organismus, die über mindestens 14 verschiedene Rezeptoren vermittelt werden. Das Hormon wirkt unter anderem auf das Herz-Kreislauf-System, den Magen-Darm-Trakt, die Blutgerinnung und das Zentralnervensystem (ZNS). Im ZNS hat es beispielsweise Wirkung auf unsere Stimmung, den Appetit, den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Schmerzverarbeitung, das Sexualverhalten und die Temperaturregulation.

Serotonin selbst kann nicht als Medikament genützt werden, stattdessen kommen Arzneimittel zum Einsatz, die Freisetzung, Wirkung, Wiederaufnahme und Abbau des Botenstoffes beeinflussen. Neben Antidepressiva tun das auch viele Medikamente gegen Schmerzen, Schlafstörungen, Migräne, Übelkeit oder Bluthochdruck.Werden solche Substanzen kombiniert, was gerade bei chronischen Schmerzpatienten häufig vorkommt, oder in zu hoher Dosis eingenommen, können Serotoninrezeptoren im Nervensystem überstimuliert werden und ein Serotoninsyndrom kann auftreten.

Gefahr auch bei Drogenkonsum

Dies kann auch bei missbräuchlicher Einnahme von Amphetaminen oder Drogen wie Kokain und Ecstasy geschehen. In den meisten Fällen beginnen die Symptome des Serotoninsyndroms innerhalb der ersten 24 Stunden nach Medikamentenwechsel oder einer Dosiserhöhung.

Das Syndrom kann schwierig zu erkennen sein, betonte Kraft: "Einen Labortest gibt es nicht, die Diagnose muss anhand der vielfältigen Symptome gestellt werden. Typisch sind Kopfschmerzen, Aufgeregtheit, Verwirrtheit, Delirium und im schlimmsten Fall Koma. Dazu kommen Störungen des vegetativen Nervensystems wie Zittern, erhöhte Temperatur, Herzrasen, Bluthochdruck und Durchfall."

Auch neuromuskuläre Symptome wie Zittern, überschießende Reflexe, Krämpfe und Rhabdomyolyse, eine Auflösung von Muskelgewebe, kommen vor. Die Diagnose eines Serotoninsyndroms ist selbst für Fachleute schwierig.

"Kommt es nach der Einnahme von Schmerzmedikamenten, Antidepressiva, Parkinsonmedikamenten, Medikamenten gegen Erbrechen oder Migräne oder des Antibiotikums Linezolid zu einigen solcher Symptome, sollte der Notarzt verständigt werden", rät Kraft. "Dies gilt besonders bei erstmaliger Einnahme, nach einer Dosiserhöhung oder wenn Medikamente kombiniert werden." (red/APA, derStandard.at, 2.3.2013)