"Die Studie hat gezeigt, dass 3D mittlerweile ein Thema auch für Chirurgen ist." - So lautet ist das Fazit der Forscher des Fraunhofer-Instituts.

Foto: Fraunhofer HHI

Berlin - Die bisher von Medizinern weitgehend ignorierte 3D-Technik bekommt eine neue Chance. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut HHI in Berlin und des Münchener Klinikums rechts der Isar. Insbesondere verbesserte Brillen und Bildschirme brachten im praktischen Test die Vorteile, die bisher für 3D in der Medizintechnik nur theoretisch nachgewiesen werden konnten.

Die Forscher zeigten, dass selbst erfahrene Mediziner von den neuesten 3D-Geräten profitierenden können. Und nicht nur "3D mit Brille", sondern auch die brillenlosen Systeme kamen bei der Untersuchung mit etwa 50 Chirurgen gut an. "Auch wenn die Technik noch weiter verfeinert werden muss werden die Modelle ohne Brille der 3D-Technik im OP-Saal weiteren Schub verleihen. Denn gerade bei den Medizinern waren es vor allem die Brillen, die als störend empfunden wurden", sagt Ulrich Leiner, Abteilungsleiter "Interactive Media – Human Factors" am HHI.

Immer höhere Bildschirmauflösung

Auslöser dieser neuesten Untersuchung sind die aktuellen Technologiesprünge in der 3D-Bildschirmtechnik: Mittlerweile sind auch für den medizinischen Einsatz 4K-Modelle auf dem Markt, die vierfache HD-Auflösung bieten. "Der nächste Schritt ist Ultra-High-Definition mit 8K. Das entspricht der 16-fachen Auflösung aktuell verfügbarer Full-HD-Bilder", verdeutlicht Michael Witte vom HHI die technische Entwicklung.

Diese Entwicklung werde 3D "ohne Brille" endgültig zum Durchbruch verhelfen. Aus Sicht der Forscher war es deshalb an der Zeit, wissenschaftlich fundiert zu testen, ob 3D nun wirklich reif für den sensiblen Einsatz im Krankenhaus ist: Im Münchner Klinikum ließen sie Chirurgen die neuesten 3D-Geräte testen.

Insgesamt mussten die Probanden einen Parcours durchlaufen, der aus vier unterschiedlichen Bildschirmsystemen bestand: 2D, 3D mit und ohne Brille sowie einer Spiegelapparatur, die als "ideales" 3D-Referenzmodell fungierte. Die Bilder lieferten dabei endoskopische Kameras, die die Ärzte während eines nachempfundenen chirurgischen Routineeingriffs verwendeten.

Schneller und präziser

Mit Nadel und Faden nähten die Mediziner eine Wunde in einem Bauchhöhlenmodell mit 10 Stichen zu. Der direkte Blick auf die Hände war dabei – wie bei einem minimalinvasiven Eingriff – versperrt, die Mediziner also auf einen Bildschirm angewiesen.

Das Ergebnis war verblüffend: Mit dem brillenbasierten 3D-System reduzierte sich die Dauer der Prozedur um mehr als 15 Prozent, auch die Präzision nahm deutlich zu. "Die Handbewegungen waren zielgerichteter als beim 2D-Modell. Bislang konnte dieser Effekt bei erfahrenen Chirurgen meines Wissens noch nicht nachgewiesen werden", beschreibt Studienteilnehmer Hubertus Feußner.

Der Chirurg vom Klinikum rechts der Isar kann auf eine über 30-jährige Erfahrung mit mehreren tausend Operationen zurückblicken. "Bisher waren gerade 'Alte Hasen' der 3D-Technik gegenüber sehr skeptisch eingestellt. Nicht nur, dass es kaum erkennbare Vorteile gab, der Blick auf die Bildschirme verursachte bei vielen Kollegen Unwohlsein. Man verließ sich deshalb lieber auf seine Erfahrung", ergänzt Feußners Kollege Silvano Reiser.

Brillenlosem Modell gehört die Zukunft

Auch das brillenlose Modell schlug sich gut und wurde von den Probanden ähnlich gut eingeschätzt wie 2D. "Leider reichte es für das von uns entwickelte System nicht zum ersten Platz. Aber der nach unserem Wissen erste 'harte' medizinische Praxistest war vielversprechend", so Studienleiter Heiner.

Sein Team will weiter an der zugrunde liegenden Technik des Eye-Trackings arbeiten. Dabei nehmen Kameras durch Blickverfolgung die exakte Position beider Augen auf. Jedes Auge sieht dadurch ein separates Bild. Der 3D-Effekt stellt sich so ohne Brille ein. Die Forscher wagen einen optimistischen Ausblick: "Die Studie hat gezeigt, dass 3D mittlerweile ein Thema auch für Chirurgen ist. Das wird die Diskussionen unter den Skeptikern beleben. Jetzt müssen Untersuchungen für andere Disziplinen der Medizin folgen." (red, derStandard.at, 3.3.2013)