Franz Voves, der steirische Landeshauptmann, hat seiner eigenen Partei, der SPÖ, die Leviten gelesen: Sie habe - so wie die etablierten Parteien überhaupt - eine Unfähigkeit zur Wandlung gezeigt, in Österreich hätten sich weder SPÖ, noch ÖVP an die geänderte Wirklichkeit angepasst. In zehn Jahren könnten sie zugrunde gegangen sein. Die "Nicht-Politik" à la Stronach oder Beppe Grillo drohe zu übernehmen, sagt Voves in einem Interview mit der Kleinen Zeitung und fügte Sottisen über die Servas-und Griaß-di-Politik der Wiener SPÖ, während auf den Straßen Strache gewinne, hinzu.
Oha. Will der Steirer für die SPÖ die von Gabi Burgstaller umständehalber aufgegebene Rolle des von draußen hereinkeppelnden Länderchefs übernehmen?
Da ist mehr. Voves spricht in diesem Interview etwas gewunden, aber deutlich ein sozialdemokratisches Kernthema an: "Ich will wieder sozialdemokratische Ziele präsentieren können, ohne dass mich gleich wieder Journalisten - zu Recht - fragen, wie das leistbar ist". Er habe mit seinem ÖVP-Vize Hermann Schützenhöfer einen Kürzungs- und Sparkurs gefahren, um wieder "den Handlungsspielraum für Bildung oder Ganztagskindergärten" zurückerobern zu können.
Die Sozialdemokratie, vor allem die österreichische, bezieht ihre Legitimation und ihren (stark geschrumpften) Erfolg bei den Wählern überwiegend aus der sozialen Dimension. Das war historisch eine große Leistung, ist aber heute fast auf einen fragwürdigen und immer weniger " leistbaren" (Voves) Klientelismus geschrumpft. Viel von den sozialen Transferleistungen, vor allem im Pensionsbereich, geht an privilegierte Gruppen: Gemeindebedienstete, Angestellte bei den Sozialversicherungen etc. (Bei der ÖVP sind nur die Gruppen teilweise andere).
Das ist die verbliebene Kernkompetenz der Faymann-SPÖ. Frühere Politikfelder - Wirtschaftskompetenz, gutes Verhältnis zu Künstlern und Intellektuellen - wurden weitgehend aufgegeben (analog gilt fast dasselbe für die ÖVP).
Die SPÖ hat ihre Klientelpolitik lange auf Schulden finanziert. Seit der Finanzkrise geht das nicht mehr so gut. Daher verlangt die Bundes-SPÖ neue (Vermögens-)Steuern. Angeblich wegen "Gerechtigkeit", seit neuestem, um höhere Bildungsausgaben zu ermöglichen. In Wahrheit, um sicherzustellen, dass die Mitglieder der Kernklientel (Bediensteten der Gemeinde Wien oder der ÖBB) weiter mit Anfang/Mitte 50 abschlagsfrei in Pension gehen können.
Voves war es, der seinerzeit auf "Reichensteuern" drängte. Inzwischen scheint er im Rahmen der steirischen "Reformpartnerschaft" erkannt zu haben, dass dies großteils eine Scheinlösung wäre oder jedenfalls in eine Gesamtreform (Senkung der Einkommensteuern, Leistungskürzungen bei den Pensionsprivilegien) eingebettet werden müsste.
Der soeben 60 gewordene Voves ist wahrscheinlich kein Kandidat für den SPÖ-Bundesvorsitz. Aber er ist ein wichtiger SPÖ-Politiker, der beginnt, die Defizite seiner Partei (und der etablierten Parteien) gegenüber der neuen Wirklichkeit zu benennen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 2.3.2013)