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Deborah Persaud: "Heilung grundsätzlich machbar"

Foto: AP Photo/Johns Hopkins Medicine

Ein im US-Bundesstaat Mississippi mit dem HI-Virus geborenes Mädchen konnte nach einer sehr früh begonnenen antiretroviralen Therapie von dem Virus praktisch geheilt werden, berichteten Wissenschaftler am Sonntag. Es handle sich um eine potenziell bahnbrechende Erkenntnis für die Behandlung des Virus, erklärten die Mediziner bei einem Kongress in Atlanta.

Es sei der erste bekannte Fall, bei dem an einem infizierten Kind eine sogenannte funktionelle Heilung beobachtet werden konnte; im Blutbild des Säuglings könne demnach nur mehr eine derart geringe Menge des Virus festgestellt werden, dass das Immunsystem des Kindes es künftig ohne weitere Behandlung zu kontrollieren in der Lage sei. 

"Heilung grundsätzlich machbar"

Zwar müssten nach Aussage der Wissenschafter weitere Tests abgewartet werden, die Ergebnisse könnten allerdings die künftigen Behandlungsmethoden bei mit HIV infizierten Kindern revolutionieren. "Das beweist, dass die Heilung von HIV bei Kindern grundsätzlich machbar ist", sagte Deborah Persaud, eine Virologin an der Johns Hopkins Universität in Baltimore, Maryland, bei der Präsentation der Ergebnisse.

Die infizierte Mutter hatte den Erreger bei der Geburt ihrem Kind übertragen. Weniger als 30 Stunden nach der Geburt - noch bevor die Erkrankung bestätigt worden war - hatten die Ärzte den Säugling mit einer antiretroviralen Therapie behandelt. Die Menge der Viren reduzierte sich, bis sich diese nach knapp einem Monat nicht mehr messen ließen.

Wiener Experte skeptisch

Die Patientin ist heute zweieinhalb Jahre alt und seit einem Jahr frei von Medikamenten. Deborah Persaud sagte, offenbar habe die sehr frühe Behandlung dafür gesorgt, dass sich bei dem Kleinkind keine schwer zu behandelnden verborgenen Viren-Reservoire bilden konnten.

Für Norbert Vetter, der sich am Wiener Otto-Wagner-Spital mit der Immunschwächekrankheit beschäftigt, ist das "eine interessante Einzelbeobachtung. Daraus Konsequenzen abzuleiten ist nicht möglich und gefährlich." Mit dem Terminus Heilung müsse man vorsichtig umgehen, sagt Vetter. "Die Nachbeobachtungszeit ist viel zu kurz, es kann erst die Zukunft zeigen, ob es wirklich gelungen ist, die Viren so zu beeinträchtigen, dass sie nicht wieder auftreten", so der Primararzt.

Bisher erst eine Heilung bekannt

Die bisher einzige anerkannte Heilung eines Aids-Patienten ist der Fall des US-Bürgers Timothy Brown, bei dem in den 90er Jahren in Berlin Aids diagnostiziert worden war. Die Heilung setzte bei dem als "Berliner Patient" bekannt gewordenen Brown ein, nachdem ihm Spender-Knochenmark transplantiert worden war, das eine seltene genetische Veränderung aufwies.

Derzeit müssen betroffene Patienten die antiretrovirale Kombinationstherapie lebenslang einnehmen. Im Idealfall nimmt auch dann die Zahl der freien Viren im Blut dahingehend ab, dass HIV praktisch nicht mehr nachweisbar ist.

Wenn infizierte Mütter eine antiretrovirale Therapie erhalten, wird in den meisten Fällen eine Infektion des Neugeborenen verhindert. Derzeit sterben weltweit jährlich rund 1,7 Millionen Menschen an Aids und den Folgeerkrankungen. Neuinfektionen mit dem HI-Virus sind innerhalb eines Jahrzehnts um 19 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Aids-Toten ist seit dem Jahr 2005 um 26 Prozent gesunken. (APA/red, derStandard.at, 4.3.2013)