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Konklave. Es gibt eine Restchance, auch dann einen "richtigen" Papst zu bekommen, wenn die Kardinäle aus ihrer Mitte wählen.

Foto: EPA/CLAUDIO PERI

Gott habe den nächsten Papst schon erwählt, Aufgabe der Kardinäle sei es schlicht, diesen auch herauszufinden. Mit dieser  Aussage verabschiedete sich Kardinal Schönborn Richtung Rom. Das ist ein Teil seiner, wie er manchmal sogar selbstkritisch formuliert, holzschnittartigen Theologie. Unwillkürlich steigt das Bild einer vorgezogenen Ostereiersuche in der Sixtinischen Kapelle auf. Und unwillkürlich kommt der Gedanke: Angesichts des abgelaufenen Pannen-, Pech- und Pleitenpontifikats scheinen die Kardinäle das letzte Mal nicht den Richtigen gefunden zu haben.

Vielleicht kommt das daher, dass sie nicht an der richtigen Stelle suchen. Schönborn hat den E-Mail-Vorschlag eines Schäfleins, Bischof Kräutler im Konklave vorzuschlagen, mit dem Hinweis beantwortet, dass die Kardinäle wohl einen der Ihren wählen werden. Auch der scheidende Papst war sich in seiner Schlussansprache vor den Kardinälen sicher: "Unter euch ist der neue Papst." Dabei sieht die Wahlordnung ausdrücklich vor, dass auch solche gewählt werden können, die nicht am Konklave teilnehmen. Solche Festlegungen schon jetzt vorzunehmen, um dann im Konklave auf den Heiligen Geist zu hören, ist ein bisschen widersprüchlich.

Derzeit wird ein Blog innerhalb kirchlicher Reformgruppierungen emsig elektronisch weitergereicht, der meint, dass der neue Papst mit Sicherheit der Falsche sein wird: weil nur Männer wählen, weil diese vielfach direkt oder indirekt in den systematischen Missbrauch verstrickt sind, weil sie alten Machtstruktur verfallen sind etc.

Muss der Papst daher mit Sicherheit der Falsche sein? Meines Erachtens gibt es eine Rest-Chance, auch dann einen "richtigen" Papst zu bekommen, wenn die Kardinäle aus ihrer Mitte wählen. Die Einschätzung, wonach die Kardinäle eine uniforme Gruppe darstellen, ist zu undifferenziert. Manche wurden nicht deshalb Kardinal, weil sie bedingungslos auf der Linie der Päpste lagen, sondern weil es "innenpolitische" Notwendigkeiten gab. So war irgendwann Karl Lehmann als langjähriger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz nicht länger als Kardinal zu übergehen. Seine Position und Rolle ist aber beispielsweise mit einem Joachim Meisner aus Köln häufig im Widerspruch. Daher halte ich auch Einschätzungen, die darauf abzielen, Nationen oder Kontinente würden einheitlich abstimmen, für verfehlt.

Ein weiterer Faktor ist zu berücksichtigen: Die überwiegende Zahl der Kardinäle sitzt nicht in Rom. Sie sind Leiter von Diözesen. Sie haben seit Jahren (manche seit Jahrzehnten) erlebt, wie wenig das Leben an der Kirchenbasis mit den römischen Vorgaben deckungsgleich ist. Dass eine menschenorientierte Pastoral geradezu gezwungen ist, abzuweichen. Viele leben das als Zerrissene und haben zwischenzeitlich möglicherweise die eine oder andere inhaltliche Position persönlich verändert.

Die Chancen, "den Richtigen" außerhalb der Gruppe der Konklave-Teilnehmer zu finden, wären freilich wegen der größeren Zahl an Qualifizierten außerhalb bei weitem höher - vor allem zur Abwechslung einmal "die Richtige"! Denn selbst wenn man dieses Amt nur einem Menschen übertragen möchte, der sein Leben Gott geweiht hat, zeigt die Kirchenstatistik: Mehr als 700.000 Ordensfrauen stehen weniger als 500.000 Männern im Klerikerstand gegenüber. Wen Schönborn und Co. da aller finden könnten, wenn sie so richtig auf den Heiligen Geist horchten ...

PS: Der im letzten Blog kritisch beurteilte Kardinal Keith O'Brien, dem sexuelle Übergriffe auf  Priester vorgeworfen werden, zieht nicht ins Konklave ein. Das ist erfreulich. Unerfreulich ist das Prozedere. Sein Rücktritt wurde nur aus Altersgründen angenommen (wie bei Groer). Die Kardinalswürde bleibt ihm (wie bei Groer). Er ist nur einer von jenen, die laut Vatikansprecher aus "gesundheitlichen Gründen" nicht am Konklave teilnehmen. Diese  Verlogenheit ist  zermürbend. Jüngste Entwicklung: O'Brien hat nun doch (erste Abweichung zu Groer) Fehler eingestanden. Sein sexuelles Verhalten habe - so bedauert der Kirchenfürst - zeitweilig nicht "den Standards" entsprochen, die von einem Priester, Erzbischof und Kardinal erwartet werden (meldet "Spiegel Online"). Diese Formulierung wird man sich merken müssen.

Anders im zweiten Fall: Obwohl sich Benedikt XVI. bis zuletzt mit dem Konklave beschäftigt hat - kurz vor Amtsende modifizierte er noch einzelne Bestimmungen -, blieb er bezüglich des US-Skandalkardinals Roger Mahony untätig. Dieser wird ins Konklave einziehen. Benedikt hat zweifelsfrei wichtige Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch durch Priester gesetzt. Die Verantwortung der Päpste und des Vatikans hat er bis zuletzt verschleiert und vertuscht - und damit dem Ansehen des Papstamtes einen schweren Schaden zugefügt.

PPS: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der neue Papst die Schuld der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal aufklären muss.