Protagonist Edward Kenway ist der Großvater von Connor, dem Helden des dritten Teils.

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Screenshots aus "Assassin's Creed 4: Black Flag"

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Blackbeard

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Hollywood und Disney ist es zu verdanken, dass jüngere Generationen eine romantische Vorstellung von Piraten haben. Doch mit Peter Pan und Captain Jack Sparrow werden sich Spieler nach den ersten Minuten von "Assassin's Creed 4: Black Flag" (AC4) nicht identifizieren.

Als sich die kreativen Köpfe von Ubisoft Montreal im Sommer 2011 zusammensetzten, um das vierte Hauptwerk der Action-Adventure-Serie zu konzipieren, sahen sie nicht schmalzlockige Papageienträger vor ihren Augen, sondern die Schrecken der Geschichte. Spieler sollten zurück in die Vergangenheit reisen können und selbst zu einem jener skrupellosen Freibeuter werden, die zur persönlichen Bereicherung nicht vor Mord, Raub und Plünderung zurückschreckten.

Vergangenen Mittwoch präsentierten die Schöpfer die vorläufigen Erkenntnisse ihrer Zeitreise. Spieler dürfen am 31. Oktober auf PC, PlayStation 4, PS3, Xbox 360 und Wii U die Segel hissen.

Arr, arrrr

Wir schreiben die Anfänge des 18. Jahrhunderts. Ohne Aussicht auf ein erfülltes Leben in der Heimat stechen britische Abenteuer in See, um in den Inselparadiesen des neuen Kontinents ihr Glück zu finden. In den Schuhen von Captain Edward Kenway findet man zunächst Gefallen an dieser Vorstellung, um sich schließlich in der brutalen Realität des Piratenlebens wiederzufinden.

Für die Recherche machte sich das Kreativteam von Ubisoft selbst auf die Reise zu den Karibischen Insel und begab sich dort auf die Suche nach Geschichten, die ihre Fantasie weit übertrafen. "Wir sind an alle Orte gefahren. Das war wirklich Arbeit", sagt Creative Director Jean Guesdon. "Was wir herausfanden war so unglaublich, dass es keine Übertreibung braucht." Die unzähligen Schiffswracks vom Meeresgrund heraufgeholt, werden Spieler virtuell zu Zeugen der Vergangenheit. Beispielsweise als ein einziges Piratenschiff im Nebel 40 Schiffe einer portugiesischen Handelsflotte überwältigte. Oder als auf den Bahamas eine Provinz der Piraten gegründet wurde und schlussendlich in der Anarchie der Gesetzlosen unterging.

50 Schauplätze

Um diesen Traum des gespielten Piratendaseins verwirklichen zu können, mussten die Entwickler bisherige Grenzen der "Assassin's Creed"-Serie aufbrechen. Unter der schwarzen Flagge segelt man in eine gänzlich offene Spielwelt, deren 50 unterschiedliche Regionen und Schauplätze völlig frei erkundbar sind. Nahtlos wechselt man von Deck auf Festland, um von den Felsen und Stränden der Küste wiederum ins Meer hinabzutauchen. Von den paradiesischen Sandstränden der "Coconut Islands" geht es in die dichten Dschungel Mexikos zu den Ruinen der Maya, nach Havana, dem britischen Kingston und der Piratenhochburg Nassau. Zu Lande lässt man sich in einer Festung nieder, auf See nennt man sein eigenes Schiff samt persönlicher Crew sein Zuhause. Etwa 40 Prozent der Zeit wird man keinen festen Boden unter den Füßen haben.

Jedem Kapitän ein Schiff

Das eigene Schiff, die Jackdaw, stellt den Dreh- und-Angelpunkt in Kenways Karriere dar. Mit ihm entdeckt man neue Orte, verteidigt sich gegen feindliche Flotten und erbeutet wertvolle Fracht. Mit gewonnener Erfahrung lassen sich die Ausstattung verbessern, mehr Kanonen installieren und Heck und Bug verstärken. Fünf unterschiedliche Strategien gilt es zu meistern, je nach dem, ob Feinde aus der Distanz angreifen oder zum Rammen neigen. Wie zu jedem Zeitpunkt steht einem der Spielstil frei, betont Guesdon. Weil nach der Enterung Seeschlachten nahtlos in Nahkämpfe mit Säbel und Schusswaffe übergehen, ist es dem persönlichen Geschmack überlassen, ob man defensiv seine Mannen vorschickt und den gegnerischen Kapitän aus der Ferne auslöscht, ob man über die Segelmasten oder das Wasser hinter die feindlichen Linien schleicht beziehungsweise taucht oder ob man die Klinge schwingend den Rambo in Schnallenschuhen mimt.

Desmond ist nicht mehr

Hat sich der Schwarzpulvernebel gelichtet, stellt sich bloß die Frage, wie das alles mit dem Konflikt der Assassinen und Templer zusammenpasst. "Kenway ist ein Pirat, der von Assassinen ausgebildet wurde", erklärt Guesdon. Um vorab nicht zu viel zu verraten, wird die Erzählung nur ansatzweise skizziert. Im Streifzug durch die karibische Unterwelt unserer Urahnen gerät man oberflächlich betrachtet zwar an noble wie sadistische Legenden vom Schlage Black Beard oder Calico Jack, wird dabei aber tatsächlich in den uralten Zwist der Fraktionen verstrickt. Während man dabei ist, eine gesetzlose Republik auf den Bahamas aufzubauen und die prägenden Ereignisse, des Goldene Zeitalter der Piraterie erlebt, wird man zum Jäger der Templer und Attentäter.

Weil der Brückenschlag mit jedem neuen Kapitel ein Stück aufgesetzter wirkt, hat sich Ubisoft mit dem Ende des 2012er Blockbusters "Assassin's Creed 3" für den Abschluss der Parallelhandlung rund um Desmond Miles entschieden, der per Animus in die Rolle seiner Vorfahren schlüpfte. Anstelle dessen wird der Spieler als Besucher von Abstergo Entertainment, einer Art Entertainmentpark, selbst zum Zeitreisenden. So soll das Abenteuer unmittelbarer und zumindest eine Verstrickung gelöst werden.

Feinheiten überarbeitet

Das grundlegende Spielkonzept wurde nicht verändert, wenngleich man etwa das Kampfsystem an Kenways Agilität angepasst hat. Der charismatische, aber auch grausame Piratenkapitän kann spielend zwischen der versteckten Klinge des Ordens der Assassinen und komplett neuen Waffen, wie vier Steinschlosspistolen und zwei Entermessern, wechseln.

Um dem Freiheitsgefühl der offenen See gerecht zu werden, ist Kenway zudem besser als seine Vorgänger darin, wieder unterzutauchen, sollten ihm Spanier, Engländer oder verfeindete Piraten auf den Fersen sein. Dazu nutzt man kleine, versteckte Buchten, die dicht bewachsenen Baumkronen der Dschungel oder das gesellige Straßenleben der Hauptstädte.

Spannendes Piratenleben

Virtuelle Touristen dürfen sich abseits der Geschichte nach vielen weiteren Beschäftigungen umsehen. An Bord der Jackdaw darf man zum Schrecken der Tierschützer Jagd auf Wale machen. In den tropischen Stürmen wird man selbst zum Opfer, und unter Wasser taucht man nach wertvollen Schätzen.

Dass man in einem Videospiel nicht auf die Technik von vor 300 Jahren zurückgreifen muss, unterstreichen praktische Gadgets wie das modifizierte Fernglas Spyglass, mit dem man am Horizont feindliche Schiffe identifiziert und gleich erkennen kann, ob sich eine Eroberung auch finanziell auszahlt.

Komplexe Zusammenarbeit

So komplex die Spielwelt von "Assassin's Creed" mittlerweile erstrahlt, so ist sie tatsächlich ein Spiegelbild des Entstehungsprozesses. Um den jährlichen Erscheinungszyklus der Serie einhalten zu können, bündelt Ubisoft die Ressourcen mehrerer Teams rund um den Globus. Die neuen Kapiteln werden - zynisch formuliert - wie am Fließband parallel produziert, wobei der Entstehung eines Teils rund zwei bis drei Jahre Zeit gelassen wird. An "Assassin's Creed 4" arbeiten nicht weniger als acht Studios. Animationen, Leveldesign und technische Entwicklung werden an Ubisofts Spezialisten in Europa und Fernost ausgelagert, die kreative Leitung zieht in Montreal die Fäden.

Die unternehmensweite Kollaboration forcierte auch das aktuelle Thema "Piraten", das Guesdon weniger als Ausdruck menschlicher Eskapismussehnsüchte in Krisenzeiten sieht denn als logischen Schluss vorangegangener Entwicklungen. Bereits für "Assassin's Creed 3" und dessen amerikanischen Freiheitskampf wurde die Technologie für Seeschlachten konzipiert. Erst dank dieses technischen Fundaments war es möglich, die facettenreiche Welt der Piraten mit den Produktionsqualitäten des Franchises zu realisieren.

Die nächste Generation

Anders als die Vorgänger wurde "Black Flag" mit Rücksicht auf kommende Konsolen entwickelt. Zwar wird man auch mit PS3, Xbox 360 und Wii U die neue Welt erobern können, will man das Spektakel in seiner ganzen Pracht erleben, führt jedoch kein Weg an einem High-End-PC oder einer PS4 (und vermutlich der neuen Xbox) vorbei. Den deutlichen grafischen Sprung bestätigt Guesdon und fügt noch hinzu, dass man auch von den neuen konnektiven Fähigkeiten der PS4 Gebrauch machen wird. Details werden allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt enthüllt. Sonys neue Spielkonsole erlaubt es unter anderem, mobile Endgeräte in das Spiel einzubinden, der neue Controller verfügt über Touch- und Bewegungssteuerung.

Es bleibt also bloß zu raten, inwieweit "Assassin's Creed 4" auch von den spielerischen Innovationen der Next Gen profitieren wird. (Zsolt Wilhlem, derStandard.at, 4.3.2013)