
Das Schöne am Älterwerden: "Die Liste jener Dinge, die man nicht mehr braucht, wächst rasant." Deshalb hat Harald Schmidt auch keine Lust auf Pressekonferenzen und die 621. Version vom "Käthchen von Heilbronn".
STANDARD: Täuscht der Eindruck oder geben Sie mehr Interviews als früher?
Schmidt: Das täuscht, denn ich gebe gern Interviews. Ich bin begeisterter Zeitungsleser und totaler Fan der Pressefreiheit, habe noch nie irgendetwas von Anwälten korrigieren lassen ...
STANDARD: Weil vereinbart wird, dass Sie sie vorher lesen?
Schmidt: Aber nur, damit ich mir das vorher anschauen kann. Ich bin zu eitel, um etwas rauszustreichen, weil ich jedes Wort für einen geschliffenen Diamanten halte.
STANDARD: Sie sind seit einem halben Jahr bei Sky. Wie geht's?
Schmidt: Absolut fantastisch. Es ist die angenehmste Phase meines Berufslebens. Ich habe komplett meine Welt erhalten können mit meinem Studio und meinem Team und fühle mich sehr wohl.
STANDARD: Ist es Ihnen angenehm, dass die Show fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert?
Schmidt: Ja, das ist ein anderes Wort für Elite.
STANDARD: Aber das Ego, Sie stehen darüber?
Schmidt: Nein, ich bin unfassbar eitel, aber der Kunstgriff besteht darin, die Eitelkeit immer auf die neuen Marktsituationen anzupassen. Der Markt ermöglicht mir exakt die Show, die ich machen möchte, und zwar auf Sky. Punkt.
STANDARD: Früher waren Sie Kritikern heilig. Das hat sich geändert. Sogar Manuel Andrack meckert.
Schmidt: Jeder kann schreiben und sagen, was er möchte. Das lässt man an sich vorbeiziehen. Darin ist das englische Königshaus uneinholbar: Never explain, never complain.
STANDARD: Ihre wahre Größe?
Schmidt: Es reicht, sich die anzuschauen, die es falsch machen, und sich zu fragen: Will ich so sein? Nein. Es gibt viele, von denen man lernen kann. Henry Kissinger, das englische Königshaus, der Vatikan bis vor kurzem.
STANDARD: Ihr Favorit unter Talkern ist nach wie vor Letterman?
Schmidt: Und damit hat sich's. Das ist das Schöne am Älterwerden. Die Liste, jener Dinge, die man nicht mehr braucht, wächst rasant. Ich gehe früh schlafen. Was sollte ich abends sonst machen?
STANDARD: Kino?
Schmidt: Mach ich am Nachmittag. Ins Theater geh' ich nicht mehr.
STANDARD: Warum nicht?
Schmidt: Alles gesehen. Die 621. Version vom "Käthchen von Heilbronn" interessiert mich nicht.
STANDARD: Weil Theater prinzipiell aus der Zeit ist?
Schmidt: Sie können mich auch über Leihbüchereien in Bukarest fragen. Alles nicht mein Thema.
STANDARD: Theater war schon einmal Ihr Thema.
Schmidt: Es war. Beendet. Erfolgreich abgeschlossen. Und wünsche allen Theatern auch weiterhin viel Erfolg. Aber ich selbst geh' schlafen.
STANDARD: Hat Red Bull schon bei Ihnen angefragt?
Schmidt: Nein. Was sollte ich da?
STANDARD: Servus TV?
Schmidt: Nein. Wenn Sky die Sendung einstellt, dann ist Feierabend. Ich habe keine Lust auf Pressekonferenzen und auf Pressefotos, und dann kommt ein Metrosexueller mit Ideen: "Ich hab' hier schon mal was aufgebaut. Wie findest du es denn, wenn du da im Waschbecken sitzt?" Ich finde, dieser Künstler kann gerne jemanden adoptieren, aber er muss mich ja nicht gleich fotografieren. (Doris Priesching, DER STANDARD, 6.3.2013)