Der Bürgerwille gilt Waldviertler-Chef Heinrich Staudinger (stehend) als höchste Instanz - und nicht etwa die FMA.

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Die gewünschten Änderungen am Bankwesengesetz und ...

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... jene am Kapitalmarktgesetz.

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Der Schuhhersteller Waldviertler hat sich von Privatpersonen knapp drei Millionen Euro geliehen. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) sieht das als unzulässig an und fordert, dass das Unternehmen die Darlehen entweder zurückzahlt oder auf eine "gesetzeskonforme" Basis stellt. Noch bevor die Höchstrichter entscheiden, will Firmenchef Heinrich Staudinger vorbauen. Er hat einen Gesetzesvorschlag erarbeiten lassen, der Direktdarlehen ohne Bankkonzession ermöglicht und bald im Nationalrat beschlossen werden könnte.

Freiheit für den Bürger

Konkret geändert werden sollen das Bankwesengesetz und das Kapitalmarktgesetz, so ein sehr emotionaler Staudinger bei der Präsentation des "BürgerInnen-Direktdarlehensgesetzes 2013" am Dienstag. Wenn sich ein Unternehmen Geld von Privatpersonen leiht und dieses Geld in den Betrieb fließt, nicht aber weiterverliehen wird, soll keine Bankkonzession dafür notwendig sein. Andernfalls wäre die Freiheit des Eigentums verletzt, so Staudinger. Zu dieser Freiheit gehöre aber vice versa auch die Möglichkeit der Geldgeber, im Falle der eigenen "wirtschaftlichen Notlage" die vorzeitige Darlehensrückzahlung zu verlangen.

Das Ganze soll den Politikern schmackhaft gemacht werden, indem sich auch Gemeinden und gemeinnützige Organisationen ohne Bankkonzession Geld von den Bürgern holen können. Staudinger will damit dem Anschein einer Lex Waldviertler vorbeugen. Es gehe nicht nur um die durch die Kreditklemme gefährdeten Kleinunternehmen, auch kommunale und kirchliche Projekte wie Kindergärten oder Schulen sollen so leichter finanziert werden. Erarbeitet wurde der Vorschlag übrigens von Staudingers Bruder Karl und Markus Distelberger, die beide Juristen sind. Waldviertler selbst fasst eine Genossenschaftsform ins Auge.

Konform mit EU-Recht

Zudem soll die im Kapitalmarktgesetz verankerte Prospektpflicht wegfallen. Maßgeschneidert für Aktien und Anleihen sieht sie eine kostspielige Kundeninformation vor, an die weitreichende Haftungsregeln geknüpft sind. Schlagend wird sie bei Emissionen von über 100.000 Euro. Die Waldviertler Finanzrebellen wollen diese Grenze auf fünf Millionen Euro erhöhen, was mit EU-Recht konform ginge.

So weit wollen die Politiker aber noch nicht gehen. Die SPÖ liebäugelt etwa nur mit einer Teilförderung der Prospektkosten. Zudem würde mit dem Prospekt auch die durch die FMA gewährleistete Einlagensicherung wegfallen. "Das kann ich mir natürlich nicht leisten", so Staudinger. Dass sich im Fahrwasser des Schuhherstellers Betrüger breit machen könnten, stellt sein Bruder Karl nicht in Abrede: "Freiheit und absolute Sicherheit sind unvereinbar."

Bis zu einem neuen Gesetz ist es aber noch ein weiter Weg. Der Gesetzesvorschlag wird zunächst an die Ministerien, aber auch an Universitäten versendet. Man sei bis Anfang April offen für Verbesserungen, so Staudinger. Läuft es nach Wunsch, befasst sich der Finanzausschuss des Parlaments damit im Juni. Die Gesetze könnten bereits im Juli, dem Ende der Gesetzgebungsperiode vor den Wahlen im Herbst, im Nationalrat beschlossen werden.

Bürger stützen Finanzierungsmodell

Soweit zur Zukunft. In der Gegenwart ficht Waldviertler einen Kampf mit der FMA aus. Den Strafbescheid über 10.000 Euro kennt er selbst nur vom Hörensagen, er sei bis dato nicht eingetroffen. Die Aufseher wollen demnach bis zu dem Entscheid der Verfassungsrichter warten. Diese setzen fest, ob der Fall an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet wird oder nicht.

Abseits dieses Streits scheinen sich die Darlehensgeber einig zu sein. Frei zu entscheiden, wo man sein Geld investiert, ist der Mehrheit wichtiger als hundertprozentige Sicherheit. Von den 192 Geldgebern Staudingers hätten bereits 185 in einem Ergänzungsvertrag bekundet, auf den Schutz durch die FMA und damit die Einlagensicherung zu verzichten. Den fehlenden sieben bietet er an, das Geld zurückzuzahlen. Zudem habe man eine "Warteliste von über 1.000 Leuten", Menschen, die ihr Geld in das Unternehmen Waldviertler stecken wollten. Mit vier Prozent Zinsen werfen die Darlehen aktuell rund drei Mal so viel wie ein Sparbuch ab.

Privatdarlehen natürliche Sache

Was passiert, wenn auch die Höchstrichter die Direktdarlehen als unzulässig ansehen und es bis dahin kein neues Gesetz gibt, will Staudinger nicht verraten. Dass er weiter hart bleiben will, ist zu erwarten. Der Wille der Bürger gilt ihm als höchste Instanz. Und den liest er aus den Verkaufszahlen ab. Seit dem Sommer 2012, als er von der FMA angezeigt wurde, seien die Umsätze "in die Höhe geschossen".

Solidarität müsse der Bevormundung durch den Gesetzgeber ein Ende bereiten. Denn gehe es nach der FMA, seien bereits viele Unternehmen auf illegale Weise gegründet worden, so Staudinger. Er selbst habe 1980 von Verwandten und Freunden etwa 300.000 Schilling ausgeliehen, um seine Firma zu gründen. Dass die Gründung von "Millionen KMU in Europa" unrechtmäßig sein soll, will Staudinger nicht glauben. Schließlich sollte sich der gemeinsame Wille der Menschen auch in den Gesetzen widerspiegeln. Es könne nicht darum gehen, "einen geschützten Bereich für Banken zu bewahren". (Hermann Sussitz, derStandard.at, 5.3.2013)