Österreichs Aufgehen im Dritten Reich vor 75 Jahren hat auch einen materiellen Aspekt, der noch immer zu wenig beachtet wird: Hitler-Deutschland benötigte dringend die Wirtschaftskraft des - scheinbar - "lebensunfähigen" Österreich.

Man kann sogar sagen, der "Anschluss" Österreichs rettete das Dritte Reich vor dem Staatsbankrott. 1937/38 stand Deutschland vor einer veritablen finanziellen Krise. Hitlers Arbeitsbeschaffungsprogramme hatten zwar die würgende Arbeitslosigkeit beseitigt (weshalb sich auch in Österreich viele Augen bewundernd-sehnsüchtig zu ihm wandten), aber das war ganz überwiegend blanke Aufrüstungspolitik. Und diese Aufrüstung erfolgte praktisch nur auf Schulden und durch Gelddrucken.

Nur wenige Tage nach seiner "Machtergreifung" im Jänner 1933 sprach Hitler seine Ziele vor zwei Topgremien klar an: Der Führung der Reichswehr erklärte er am 5. 2., dass er "Lebensraum" im Osten mit der Waffe erobern wolle. Am 8. 2. eröffnete er seinen Ministern, dass jede neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahme "unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden müsse, ob sie notwendig sei für die 'Wiederwehrhaftmachung' des deutschen Volkes".

Die "ordentliche Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches" (Jörg Haider) beruhte also auf einer wahnwitzigen Rüstungspolitik zur Vorbereitung eines Eroberungskrieges. Ab 1934 waren Rüstungsausgaben der weitaus wichtigste Posten bei den Ausgaben für öffentliche Investitionen: von 49 Prozent 1934 auf 74 Prozent (!) 1938. Finanziert durch "Geldschöpfung" der Notenbank.

Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht schrieb im Jänner 1939 an Hitler, die "Reichsbank habe die Finanzierung der Rüstung weitgehend auf sich genommen, um aus dem Nichts, und anfangs noch dazu getarnt, eine Rüstung aufzustellen, die eine achtungsheischende Außenpolitik ermöglicht". Dieser Brief markiert aber auch den endgültigen Bruch der beiden, denn Fachmann Schacht hatte schon ab Mitte 1937 erklärt, man könne mit dieser Art der Finanzierung nicht weitermachen. Deutschland näherte sich dem Staatsbankrott.

Die Rettung kam durch Österreichs Einverleibung im März 1938. Das Land litt unter einer rabiaten Sparpolitik, hatte aber Rohstoffe (Erze) und vor allem Devisen und Gold. Ende 1936 verfügte die Deutsche Reichsbank über 188,6 Millionen Reichsmark an Gold und Devisen, die Österreichische Nationalbank über 343,8 Mio. (!) RM. Fügt man die privaten Depots hinzu, die nach dem Anschluss über eine Abgabepflicht an die Reichsbank gingen, so "brachte Österreich an Gold und Devisen den 21-fachen Betrag dessen ein, was die Reichsbank an Barvermögen besaß" (Hans-Erich Volkmann, Die NS-Wirtschaft in Vorbereitung des Krieges). Der Leiter des deutschen Vierjahresplans, Hermann Göring, suchte außerdem verzweifelt nach Rohstoffen für die Aufrüstung.

Nach dem Krieg, im Hochverratsprozess gegen den Außenminister des Schuschnigg-Regimes, Guido Schmidt (Freispruch), sagte der Nationalökonom Richard Kerschagl als Zeuge: "Ich sehe immer mehr, dass das österreichische Problem ein Kampf um die 560 Millionen Schilling Gold war, die dagelegen sind und das Zünglein an der Waage für das Kriegspotenzial waren (...) Die Besetzung Österreichs war von deutscher Seite gesehen zu 50 Prozent der Raub des österreichischen Goldschatzes." (Hans Rauscher, DER STANDARD, 6.3.2013)