Im Inneren einer Kohlenstoff-Nanoröhre reihen sich einzelne Diamantoid-Moleküle zu einer Kette aneinander. Durch einen Polymerisationsprozess entsteht schließlich ein langer Kohlenstoff-Draht mit diamantartiger Struktur.

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Moderne Nanomaterialien auf Kohlenstoff-Basis verfügen über einzigartige Eigenschaften, die sie interessant für teilweise völlig neue Anwendungen machen. Prominenteste Beispiele derartiger Materialien sind etwa Graphen, das aus einer einzigen zweidimensionalen Kohlenstoff-Schicht besteht, oder Kohlenstoff-Nanotubes, also winzige Röhren mit Graphen-artiger Struktur. Es geht allerdings mittlerweile noch exotischer: Ein internationales Forscherteam hat einen neuen Ansatz vorgestellt, mit dem sich außerordentlich dünne Nanodrähte aus Kohlenstoff herstellen lassen. Das Besondere daran: Die verwendeten Kohlenstoff-Moleküle haben eine diamantartige Struktur.

Kohlenstoff kann in verschiedenen Formen vorkommen, von denen Graphit und Diamant die bekanntesten sind. Während Graphit aus zweidimensionalen wabenartigen Kohlenstoff-Schichten besteht, sind Diamanten dreidimensionale käfigartige Gerüste aus gewellten Kohlenstoffsechsringen. Daneben ist inzwischen eine Vielzahl neuer Nano-Konfigurationen bekannt: Fullerene, Kohlenstoffnanoröhrchen, Graphen, Nanodiamanten und Diamantoide. Diamantoide sind eigentlich mineralische Cycloalkan-Moleküle mit einem Kohlenstoffgerüst, das wie bei Diamant aus "Käfigen" aufgebaut ist. Sie lassen sich als Miniatur-Diamanten auffassen, an deren Außenflächen Wasserstoff gebunden ist.

Für viele Anwendungen im Nanomaßstab braucht man nanoskopische Drähte. Verschiedene Typen wurden bereits hergestellt, inzwischen auch Nanodrähte aus Kohlenstoff in der Diamant-Konfiguration mit etwa 50 bis 100 Nanometer Durchmesser. Das Forscherteam aus Japan, China, Deutschland und den USA wollte mit den Dimensionen noch weiter bis in den sub-Nanometerbereich heruntergehen.

Die Idee der Forscher um Hisanori Shinohara von der Universität Nagoya in Japan war, Diamantoide zu langen, superdünnen Drähten zu fusionieren. Damit dies gelingt, mussten sie zu einem Trick greifen: Kohlenstoffnanoröhrchen, die als "Gussform" dienen. Als Ausgangsmaterial wählten die Wissenschafter Diadamantan, ein Diamantoid aus zwei diamantartigen Käfigen. An beiden Seiten statteten sie das Molekül mit je einer Carbonsäure-Gruppe aus. Für die Synthese werden die Moleküle in die Dampfphase überführt. Sie werden dann wie durch Kapillarkräfte in die winzigen Kohlenstoffnanoröhren hineingesaugt.

0,78 Nanometer dünne Drähte

Als geeignet erwiesen sich Röhrchen mit einem Innendurchmesser von etwa 1,3 Nanometer. Im Innern der Röhrchen richten sich die Diamantoide wie Perlen auf der Schnur aus. Erhitzen auf etwa 600 Grad Celsius unter Wasserstoffatmosphäre führt zu einer Polymerisation, bei der die einzelnen Diamantoid-Moleküle sich über ihre Carbonsäure-Gruppen zu einem langen, 0,78 Nanometer dünnen "Draht" verbinden. Die käfigartige Struktur bleibt dabei erhalten. Mithilfe theoretischer Berechnungen und verschiedener analytischer Methoden konnten die Wissenschafter belegen, dass der Kohlenstoff in den Drähten tatsächlich in einer diamantartigen Konfiguration vorliegt.

Solche winzigen Drähte könnten in Zukunft etwa als Spitze für Rastersondenmikroskope interessant sein, Geräten, mit denen die Topologie einer Oberfläche in extrem hoher Auflösung "abgetastet" und dann abgebildet werden kann. Derzeit arbeiten die Wissenschaftler eine Ultraschall-Technik aus, mit der die Nanodrähte aus den umhüllenden Nanoröhrchen freigesetzt werden können. (red, derStandard.at, 07.03.2013)