In Österreich und in Europa leben Frauen im Schnitt um rund sechs Jahre länger als Männer. Die gängige Annahme, dass Frauen auch gesünder sind, stimmt aber nicht. Sieht man genauer hin, zeigt sich laut Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin der Gender Medicine Unit an der MedUni Wien, dass Frauen gegenüber Männern häufiger an chronischen Krankheiten und Funktionseinschränkungen leiden und eine schlechtere gesundheitsbezogene Lebensqualität aufweisen.

Karin Gutierrez-Lobos, Vizerektorin der MedUni Wien für Lehre, Gender und Diversity betont: "Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass gerade der Gleichbehandlungsstatus von Frauen ein wichtiger Einflussfaktor auf die Gesundheit ist. Verbessern sich nämlich etwa Sozialstatus, Gleichbehandlungsindex oder Karrieremöglichkeiten, steigt auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität."

Stärker ausgeprägte Lebensphasen

Ebenfalls von großer Bedeutung seien die bei Frauen stärker ausgeprägten Lebensphasen, welche stark durch die Veränderungen der Sexualhormone, aber auch durch das jeweilige Rollenbild beeinflusst sind. Ab der Pubertät sind Frauen mehr als Männer von Schmerzsyndromen wie Reizdarm, Fibromyalgie (Faser-Muskel-Schmerz) und Migräne, aber auch Autoimmunerkrankungen wie Lupus, multipler Sklerose, Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Asthma betroffen.

Zyklusanomalien, ein unerfüllter Kinderwunsch oder Schwangerschaftskomplikationen können wichtige Hinweise auf ein erhöhtes späteres Krankheitsrisiko geben. Nach einem Schwangerschaftsdiabetes haben Frauen etwa ein sieben Mal höheres Diabetesrisiko und ein deutlich erhöhtes Gefäßrisiko.

Mehr Herzinfarkte

Lebensstiländerungen wie Rauchen, Einnahme der Pille, Stress und Bewegungsmangel führen - vor allem bei jungen Frauen - zur Zunahme der Sterblichkeit durch Herzinfarkt. Ab der Menopause sind es vor allem Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose, die Frauen vermehrt zu schaffen machen. Im hohen Alter sind Frauen schließlich signifikant stärker von Alzheimer-Demenz, Inkontinenz und Immobilität betroffen. Und wäre das alles noch nicht genug, haben Frauen gegenüber Männern auch noch doppelt so oft mit einer Depression zu kämpfen.

"Hinter diesen deutlichen Unterschieden stehen verschiedene Gründe. Zu nennen wären neben den vielen Unterschieden in der Biologie und den Sexualhormonen vor allem unterschiedliche Auswirkungen von Umwelteinflüssen, Unterschiede im Lebensstil, Geschlechterrollen und das unterschiedliche Sozialverhalten", so Kautzky-Willer.

Eine aktuell laufende, interdisziplänere Studie der MedUni Wien untersucht nun eine Reihe von Autoimmunerkrankungen unter geschlechtsspezifischen Aspekten. (red, derStandard.at, 7.3.2013)