Versteckt in einer Mappe mit zwölf Schiele-Reproduktionen fand sich das Originalaquarell von 1917.

Foto: Auctionata / Klas Förster

Manche Sensationen schreibt das Leben, bei anderen führen vermutlich eher Marketingstrategen Regie, eine gute "Geschichte" bleibt es allemal: Ende vergangener Woche informierte das deutsche Kunsthandelsportal Auctionata über eine spektakuläre Entdeckung, konkret über ein " vergessenes" Aquarell von Egon Schiele, das Experten in einem Nachlass ganz zufällig in einer Mappe mit Schiele-Drucken aus dem Jahr 1917 fanden.

Was für ein Glück, denn fast wäre alles zusammen im Altpapier gelandet, zitierte man die Eigentümerin, Millionenwerte aus dem Erbe ihres Vaters damit beinahe gepresst, zerfasert und womöglich zu Hygienepapier verarbeitet worden.

Ehemals in Wien beheimatet

Dabei ist selbst die Mappe mit den zwölf Reproduktionen einige Tausender wert: Sie wurde 1917 noch vor dem Tod des Künstlers im Dezember vom Verleger Richard Lanyi in einer Auflage von 400 Stück publiziert. Ein wie das vorliegende von Schiele signierte Exemplar brachte erst im November bei Sotheby's in New York umgerechnet knapp 9700 Euro. Deutlich wertvoller jedoch ist das Aquarell, das bei Auctionata am 21. Juni mit einem Startpreis von einer Million Euro online zur Versteigerung kommt.

Vergleichbare Arbeiten, kalkuliert man marktkonform, erzielen international Zuschläge von bis zu 7,5 Millionen Euro. Den vorläufigen Künstlerweltrekord in der Kategorie "Arbeiten auf Papier" hält das jüngst bei Sotheby's versteigerte Liebespaar - Selbstdarstellung mit Wally (vormals Leopold-Museum), das für 9,16 Millionen Euro nach Asien abwanderte. Insofern darf die Einbringerin auf ein stattliches Vermögen hoffen. Woher das Blatt kommt, wollte das Kunsthandelsportal mit Verweis auf Diskretion nicht bekanntgeben. Auf Standard-Anfrage bestätigt das Bundesdenkmalamt das Vorliegen einer Ausfuhrgenehmigung, damit ist Österreich als bisherige Heimat dieses Kunstwerks gesichert.

Bezüglich detaillierter Angaben zur Provenienzhistorie, wie sie international längst üblich sind, hält sich Auctionata derzeit bedeckt und verweist auf den Ende Mai erscheinenden Katalog. Die Echtheit des Aquarells wurde von der für das OEuvre Egon Schieles international anerkannten Expertin Jane Kallir zweifelsfrei bestätigt. Das erste Mal sei sie in den 1990er-Jahren vom damaligen Besitzer kontaktiert worden, erklärt sie dem Standard, habe die Arbeit in das Jahr 1915 datiert und in der zweiten Auflage des Werkverzeichnisses von 1998 (Supplement, D. 1727a) berücksichtigt.

Als sie das Blatt im September in Wien genauer unter die Lupe nahm, stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um eine Arbeit handelte, die bisher nur in einer früheren Ausführung als Bleistiftzeichnung (D. 1586, Wvz 1990) bekannt, jedoch später, konkret 1916, aquarelliert worden war.

Erster Auftritt in New York

Jane Kallir, sonst eher die Zurückhaltung in Person, bezeichnet dieses Aquarell (nunmehr D. 1824b) als eines der spektakulärsten, die in den vergangenen Jahren zum Verkauf angeboten wurden.

Im Zuge einer Ausstellung in ihrer Galerie St. Etienne (Egon Schieles Women, Oktober-Dezember 2012) in New York kokettierte die Liegende nach Jahrzehnten wieder mit der Öffentlichkeit.

Wie viel Sammler für die Arbeit zu zahlen bereit sind, wird der Auktionsverlauf am 21. Juni zeigen. Frauenaquarelle aus den Jahren 1916 und 1917 sind selten und stehen international hoch im Kurs, bestätigt Kallir. Zum Vergleich verweist sie auf die Sitzende Frau mit violetten Strümpfen (1917), die bei Sotheby's in London 2010 zu umgerechnet 5,55 Millionen verführte. (kron, Album, DER STANDARD, 9./10.2.2013)