
Die work|i|o-Gründer von links nach rechts: Luca Hammer, Bruno Haid und Flo Lauber.
Das Internet stellt weltweit etablierte Systeme auf den Kopf. Sei es in Politik, Wissenschaft oder der Verlagsbranche: Die Stimme des Einzelnen gewinnt an Gewicht, Innovationen werden vermehrt in der Masse geboren. Auch die Arbeitswelt ist von diesen Veränderungen betroffen. Buzzwords wie Liquid Work, Microtasking und kreative Kollaboration schwirren durch den Raum.
"Ungefähr 650 Millionen Menschen tragen eine Bluse oder eine Krawatte zur Arbeit. Über die Hälfte davon sind zutiefst unzufrieden mit ihrem Job. Warum eigentlich denken wir, dass eine Ganztagesanstellung die beste Option ist?", fragten sich in diesem Zusammenhang die drei Österreicher Luca Hammer, Bruno Haid und Flo Lauber und gründeten im Sommer 2011 die Jobplattform work|i|o.
Neue Arbeitsvermittlungsplattformen
work|i|o stellt sich in die Tradition neuer Arbeitsvermittlungsplattformen wie Taskrabbit, freelancer.com, Elance und oDesk, die mittels cloudbasierter Technologie Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Projektbasis zusammenführen. Doch im Gegensatz zu den etablierten Plattformen geht es nicht darum, möglichst billig ein Ikea-Regal aufzubauen, sondern um den Handel mit qualitativ hochwertigen Dienstleistungen.
"Wir werden wichtig in Situationen, in denen man denkt: Jetzt wäre es gut jemanden zu haben, der sich wirklich gut in dem Bereich auskennt, der mich gerade beschäftigt", erklärt Serial Entrepreneur Bruno Haid, der bereits mit der Gründung des Unternehmens System One, das semantische Kommunikationslösungen anbietet, einen guten Riecher als technologischer Dienstleister bewiesen hat.
Der Ablauf
Der Einstieg ins Vermittlungsgeschäft ist leicht. Der Auftraggeber erstellt online mit Hilfe eines Editors, der an ein vereinfachtes Excel erinnert, eine klare Definition der Anforderungen. Mittels einer algorithmischen Suchabfrage filtert work|i|o im nächsten Schritt bis zu fünfzehn qualifizierte Fachkräfte aus dem bestehenden Nutzerpool, sozialen Netzwerken wie LinkedIn oder akademischen Publikationsdatenbanken und fragt diese für den Auftrag an.
Anders als bei vergleichbaren Initiativen wird auf ein Auktionssystem verzichtet. Der Auftraggeber legt seinen Betrag fest und überweist ihn an work|i|o. Dort wird er bis zum zufriedenstellenden Abschluss der Arbeit treuhändisch verwaltet. Eine All-In-One-Lösung nennt Bruno Haid das. "Wir wollen auf unserer Plattform Menschen zusammenbringen, deren Profession einen hohen Grad an Spezialisierung erfordert", erzählt der Wahl-New Yorker, "Wir haben derzeit eine der am besten ausgebildetsten Generationen aller Zeiten und trotzdem ist es hart, einen erfüllenden Job abseits täglicher Routinen zu finden."
Das Geschäftsmodell
Hält der Auftraggeber schließlich die kuratierte Liste von zehn bis 15 Personen in Händen, kann er sich anhand der Lebensläufe über Fähigkeiten, Erfahrung und Bewertungen durch andere Arbeitgeber informieren. Der Pitch wird in einem personalisierten Seitenstrang ausgetragen. Alle Beteiligten können Änderungen mitverfolgen, kommentieren oder Nachfragen stellen, in Echtzeit miteinander Ad-Hoc-Teams bilden oder einzeln auf Anfragen antworten.
Ist der Auftrag abgeschlossen und die Ergebnisse vom Kunden angenommen, fließen alle Bewertungen und Leistungen in eine zukünftige Einstufung der Anbieter ein. Das Geschäftsmodell dahinter ist denkbar simpel: Während das Einstellen des eigenen Profils kostenlos ist, verrechnet work|i|o bei jedem erfolgreich abgewickelten Auftrag eine Provision von 15 Prozent.
Eine Twitter-Timeline mit Jobs
Der Marktplatz, der seit Herbst 2012 für jedermann zugänglich ist, soll Nutzer aus aller Welt anziehen. Neben den Schwerpunkten Übersetzung, Verkauf oder Marktanalysen gibt es auch registrierte Mitglieder wie den Accessoire-Künstler aus Asien, der über die Plattform die Expertise von Modeeinkäufern und Redakteuren in Paris einholt. Fazit: Die Plattform ist, was man daraus macht.
In Haids Vorstellung profitieren vor allem die Arbeitnehmer von der Auslagerung spezifischer Jobs: "Stellen Sie sich vor, jeden Tag nach Ihren Vorstellungen zu gestalten: Eine Timeline, ähnlich Twitter, beliefert Sie mit Aufträgen, die auf Ihre realen Interessen und Expertisen abzielen, zusammengestellt aus Quellen und Serviceangeboten aus der ganzen Welt."
Standort New York
Um die Welt zu erobern, haben sich die Österreicher für den Standort New York entschieden. "Man merkt einfach die zweihundert Jahre, die Amerika im mutigen Eingehen unternehmerischer Risiken voraus hat. Ebenso die fünfzig Jahre im Aufbau hochdynamischer Technologieunternehmen. Das ist eine Frage von Generationen, die man sich auch mit noch so gut gemeinten Initiativen nicht kaufen, sondern nur leben kann", erklärt Haid die Entscheidung. "Wir haben zum Beispiel die gleiche Rechtsanwaltskanzlei wie Facebook oder Apple. Als wir bei denen vorstellig wurden, war unser Ansatz 'Wir haben da eine Idee, aber leider kein Geld'. Die Antwort war 'OK, verstanden, finden wir interessant, wir schreiben euch 30.000 Dollar an Honorar gut und ihr zahlt, wenn ihr könnt'. Wenn Sie das in Österreich machen, fliegen Sie aus dem Besprechungszimmer, noch bevor Sie nach Getränken gefragt wurden."
Zukunftsaussichten
Natürlich ist es an der Ostküste nicht leicht, als Technologieunternehmen Fuß zu fassen, doch das work|i|o-Team zeigt sich ob zukünftiger Entwicklungen zuversichtlich: "Die ersten Schritte zur stabilen Umsatzentwicklung wollen wir noch alleine gehen, aber sobald die 100.000 Euro pro Monat Schwelle erreicht ist, wären wir nach Jumio eines des ersten Unternehmen mit österreichischen Wurzeln, das den Weg des Wachstums mit der A-Liga der amerikanischen Kapitalgeber gehen würde." (tara, derStandard.at, 11.3.2013)