Rom - Nur Stunden nach seiner Verurteilung zu einem Jahr Haft in einem Prozess um Geheimnisverrat ist Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi in der Nacht zum Freitag in ein Mailänder Krankenhaus eingeliefert worden. Dort soll er wegen einer akuten Bindehautentzündung behandelt werden. Politische Gegner sehen darin freilich einen Vorwand, um das nächste Woche fällige Urteil im "Ruby"-Prozess zu verzögern.

Die Richter, die über den Antrag auf Vertagung des Verfahrens entscheiden, forderten zunächst ein ärztliches Attest an. Das für 18. März erwartete Urteil im Verfahren wegen Sex mit Minderjährigen könnte sich um eine Woche verzögern. Berlusconi, der sich als "Opfer einer 20-jährigen Verfolgung durch Richter und Staatsanwälte" darstellt, pocht nun auf Neuwahlen schon im Juni. Hintergrund: Im Herbst könnte bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs bereits ein Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter in Kraft treten.

Rundumschlag von Grillo

Auf Staatspräsident Giorgio Napolitano kommt nun die Aufgabe zu, mit drei Unversöhnlichen das Kunststück einer Regierungsbildung zu versuchen. Das Vorhaben Pier Luigi Bersanis, Berlusconi abzulehnen und dafür die Fünf-Sterne-Bewegung für die Unterstützung eines gemeinsamen Programms zu gewinnen, gilt als chancenlos. Deren Chef Beppe Grillo schießt sich unterdessen auf die Medien ein und bezeichnete die Journalisten als "Wölfe, die am liebsten jedes Mitglied unserer Bewegung zerreißen würden". Sie stünden "im Sold der Parteien". Ohne seine Bewegung käme es in Italien zu Unruhen und Straßenkämpfen, erklärte Grillo in einem Gespräch mit dem US-Magazin Time. Sein politisches Ziel sei es nun, "100 Prozent der Stimmen zu bekommen". (mu, DER STANDARD, 9./10.3.2013)