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Wiens Erzbischof Christoph Schönborn werden gute Chancen attestiert.

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Konklave 2005: Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle.

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Konklave 2013: Der berühmte Rauchfang wird installiert. Weißer oder schwarzer Rauch soll signalisieren, ob sich die Kardinäle geeinigt haben oder nicht.

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Andreas Englisch' persönlicher Favorit ist der brasilianische Kardinal Odilo Pedro Scherer. Seiner Meinung nach haben aber der Italiener Angelo Scola, der Kanadier Marc Ouellet und Christoph Schörnborn die besseren Karten.

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Am Dienstagnachmittag ziehen 115 wahlberechtigte Kardinäle feierlich in die Sixtinische Kapelle ein, um dort einen neuen Papst zu wählen. Die Kardinäle, so der deutsche Vatikan-Kenner Andreas Englisch im Interview mit derStandard.at, würden allerdings diesmal nicht den Fehler begehen, einen Papst zu benennen, der gar nicht Papst sein will. Deshalb werden die Kardinäle, die den Job wollten, auch ihre Karten offen auf den Tisch legen.

Sollten sich die Kardinäle von außerhalb Italiens durchsetzen, habe Christoph Schönborn besonders gute Chancen. Seine Lorbeeren habe sich Schönborn kirchenintern als Krisenmanager im österreichischen Missbrauchsskandal verdient.

derStandard.at: Bei den Generalkongregationen haben sich die Kardinäle nun besser kennengelernt, wie es heißt. Man könnte auch sagen, sie haben wahlgekämpft. Wie stellt man sich den Wahlkampf unter potenziellen Päpsten vor, wo doch Todsünden wie Hochmut, Habgier und Selbstsucht tunlichst zu vermeiden sind?

Englisch: Beim letzten Mal hat es so etwas wie einen Wahlkampf gar nicht wirklich gegeben. Da waren alle so geschockt vom Tod von Karol Wojtyla, dass es niemanden gab, der sich wirklich in den Vordergrund spielte. Dieses Mal wissen die Kardinäle, dass sie jemanden wählen müssen, der auch wirklich Papst sein will. Joseph Ratzinger hat beim letzten Konklave unzählige Male gesagt, dass er auf keinen Fall Papst werden möchte. Sie haben ihn aber trotzdem gewählt und sind dann draufgekommen, dass das ein Fehler war. Ratzinger, der das Amt partout nicht wollte, hat einen dementsprechend schwachen Papst abgegeben. Diesmal werden die Kardinäle offen aufgefordert zu sagen, wer es wirklich machen möchte und wer nicht. Sie wollen nicht noch einmal jemanden wählen, der  in seiner Amtsantrittsrede sagt, dass die Wahl wie seine Exekution gewesen sei.

derStandard.at: Welche "Fraktionen" gibt es innerhalb des Kardinalskollegiums?

Englisch: Es gibt im Großen und Ganzen drei Fraktionen. Und die Grundfrage ist eine ganz einfache: Kriegen die Italiener den Thron zurück oder nicht? Bis zu Karol Wojtyla war die römisch-katholische Kirche viele Jahrhunderte lang eine italienische Kirche. Mit Wojtyla und Ratzinger wurde die Kirche sozusagen globalisiert. Viele Kardinäle halten das für eine gute Entwicklung. Andere meinen, dass diese Internationalisierung der Kirche nicht gutgetan hat. Die 28 italienischen Kardinäle werden also alles tun, um das Amt zurückzubekommen. Die zweite Fraktion ist die der römischen Kurie. Das sind die Kardinäle, die sich auch privat gut kennen und die seit vielen Jahren zusammen arbeiten. Die haben sich untereinander bereits auf einen Kandidaten geeinigt. Die dritte und größte Gruppe sind die Kardinäle von außen. Die haben am wenigsten deutlich eine Vision, wen sie wählen wollen.

Schaffen es die Italiener, sich durchzusetzen, wird es Angelo Scola. Schafft es die Kurie, dann wird es Marc Ouellet. Schaffen es die Kardinäle von außen, dann hat meiner Meinung nach Kardinal Christoph Schönborn die größte Chance.

derStandard.at: Warum gerade Schönborn?

Englisch: Er ist der Einzige, neben Sean Patrick O'Malley, der eine gute Figur in der Bekämpfung des Missbrauchsskandals gemacht hat. Und O'Malley hat bereits deutlich gemacht, dass er das Amt nicht will. Schönborns einziger Nachteil ist, dass er ein deutschsprachiger Kandidat ist. Die Regel ist meiner Meinung nach folgende: je länger das Konklave dauert, desto größer die Chancen Schönborns.

derStandard.at: Schönborn hat sich mit Ratzinger gut vertragen. Ist das ein Nachteil für ihn?

Englisch: Nein. Wer immer gewählt wird, muss mit dem alten Papst zurecht kommen. Aber das ist kein allzu gewichtiges Kriterium. Wichtig ist, dass es ein starker Papst wird, der die Kirche wieder in den Griff bekommt und der auf den Tisch hauen kann. Sie werden sicher nicht noch einmal einen intellektuellen Theologen nehmen.

derStandard.at: Wie sieht es da mit den Chancen für einen ersten schwarzen Papst aus?

Englisch: Ich sehe keinen, der das machen könnte. Und der einzige, der geringe Chancen hatte, hat sich ja selbst aus dem Spiel genommen, als er erzählte, dass homosexuelle Männer für ihn auch gleichzeitig Kinderschänder sind.

derStandard.at: Wie lange wird das Konklave Ihrer Meinung nach dauern?

Englisch: Ich glaube, nicht länger als zwei, drei Tage.

derStandard.at: Zahlreiche Kardinäle nutzten bei den Kongregationen die Gelegenheit, sich von der Vatileaks-Untersuchungskommission über Intrigen in der Kurie informieren zu lassen. Wie massiv beeinflusst Vatileaks die Wahl?

Englisch: Der Einfluss von Vatileaks ist groß. Nämlich insofern, dass nun klar ist: der nächste Papst muss ein starker Papst sein. Einer, der Leute rausschmeißt und einen Strich unter die Sache macht. So einer wie Wojtyla, der auf den Tisch gehaut hat und mit dem man sich besser nicht anlegt.

derStandard.at: Wird die erste interne Aufgabe für den neuen Papst also eine Reform der Kurie?

Englisch: Das ist nicht der springende Punkt. Die Kurienstruktur muss nicht reformiert werden. Die Punkte sind: Vetternwirtschaft und Korruption. Es ist unglaublich, wer im Vatikan mit wem verwandt ist. Ist jemand mal im Vatikan, holt er gleich Bruder, Schwester, Cousin nach. Und die Korruption: Im Vatikan sitzen teilweise seit Jahren Leute, die offensichtlich korrupt sind. Diese Korruption hat Bischof Carlo Viganò bereits aufgedeckt. Zur Belohnung dafür wurde er nach New York geschickt. In diesem Geflecht geht es um unglaublich viel Geld, zum Beispiel in der Verwaltung des Immobilienbesitzes des Vatikan. Es geht also darum, einige Leute auszutauschen, die diese Finanztöpfe kontrollieren.

derStandard.at: Welche Rolle spielen "Zeitgeistthemen", die vor allem das westliche Kirchenvolk beschäftigen. Zum Beispiel Priesterehe, Abtreibungsverbot, Frauen in der Kirche etc.?

Englisch: Was sicher unter dem nächsten Papst kommen wird, das ist eine neue Regelung zu den wiederverheirateten Geschiedenen. Ein Mörder, der beichten geht, kann Sakramente empfangen, ein wiederverheirateter Geschiedener nicht. Diese Regel wird sicher gekippt. Aber auch über das Zölibat wird man sich Gedanken machen müssen. In Westeuropa und den USA gibt es einfach keinen Priesternachwuchs mehr.

derStandard.at: In der Komödie "Habemus Papam" von Nanni Moretti geht es um einen Papst, der sich dem Amt nicht gewachsen fühlt und ausreißt. Wiegt dieses Mal das Amt besonders schwer?

Englisch: Einerseits ist es für den nächsten Papst leichter als für Joseph Ratzinger. Das Erbe von Johannes Paul II. anzutreten, konnte nur schief gehen. Johannes Paul II. hat schließlich mitgeholfen, die Berliner Mauer einzureißen. Gemessen an den Aufgaben, die ihm bevorstehen, hat es Ratzingers Nachfolger allerdings besonders schwer.

derStandard.at: Ratzinger wird sich zurückziehen und hat auch schon dem neuen Papst absoluten Gehorsam versprochen. Wird er weiter veröffentlichen? 

Englisch: Nein, auf keinen Fall. Das ist zu riskant. Die Kirche hat bisher zwei "parallele Päpste" vermieden wie der Teufel das Weihwasser. Eine Kirchenspaltung wurde befürchtet. Ratzinger wird also keinerlei Kontakt zur Außenwelt haben, keine Besuche bekommen. Er wird noch nicht mal durch den Garten spazieren gehen können. Das hat er allerdings gewusst.

derStandard.at: Wissen die Journalisten während des Konklaves tatsächlich nicht mehr als die "normalen“ Menschen, die auf weißen Rauch warten?

Englisch: Nein. Da dringt nichts nach außen.

derStandard.at: Auch nicht zum Beispiel über Nonnen, die das Essen auftragen, oder andere Angestellte?

Englisch: Die wissen nichts. Die alten Leute gehen am Abend in dieses hässliche Kardinalsrestaurant und essen schnell was. Die machen sich abends kein Fläschchen auf. Das einzige, was man in Erfahrung bringen kann, ist, wann es ungefähr zu Ende ist. Ist es ein kurzes Konklave, wird es ein Star, ist es ein langes, dann ist es kein Star.

derStandard.at: Wer ist Ihr persönlicher Favorit?

Englisch: Odilo Petro Scherer. Das würde mich zumindest freuen. (derStandard.at, Manuela Honsig-Erlenburg)