Ätzender Ammoniakgeruch, hervorgerufen durch Urin, Exkremente und mangelnde Belüftung. Kaltes Neonlicht. Muttertiere mit geschwollenen und tumorbefallenen Gesäugen, dazwischen regungslose Welpen, noch lebende zwischen toten. Kaum Wasser und kein Futter. Mehr als 200 kranke Hunde, alle von Milben, Läusen und Würmern befallen. Das Fell teilweise so verfilzt, dass sie keinen Kot mehr absetzen können. Das erlebte Birgitt Thiesmann von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, als sie eine "Vermehrerfarm" in Polen betrat, wo billige Hundewelpen im Akkord "produziert" werden.


Hund auf Hund gestapelt: Bilder von einem Welpenmarkt.

Die Rettung jener Tiere, die diese Bedingungen überlebt haben, ist jedoch nicht endgültig. Die Tiere dürfen erst vermittelt werden, wenn sie dem "Vermehrer" durch das Gericht entzogen wurden. Das könne bis zu zwei Jahre dauern, schildert Thiesmann. Und nicht selten bekommen sie die Hunde wieder zurück, nachdem diese von Tierschützern aufgepäppelt und gerettet wurden. Rechtlich gesehen gelten Tiere als Sache, Händler riskieren daher nur ein paar tausend Euro Verwaltungsstrafen. Ein Kleinlaster voll Welpen bringt jedoch rund 70.000 Euro Profit.

Neues Buch über Welpenmafia

Das ist die Kehrseite von Haustierhaltung: Das Phänomen, dass bereits Hunde als Prestigeobjekte gelten. Weit mehr als 1.000 Euro kann ein beliebter Rassehund kosten. "Billigwelpen" um ein paar hundert Euro finden daher großes Interesse im Internet. Die Schriftstellerin Gerda Melchior und die Anwälte Volker Schütz und Christopher Posch haben mit ihrem Buch "Die Welpenmafia. Wenn Hunde nur noch Ware sind" die Praktiken der Welpenmafia detailliert dokumentiert und mit Berichten von Birgitt Thiesmann ergänzt. Das Autorentrio will damit vor allem potenziellen Käufern die Augen öffnen. Denn die wichtigste Leitlinie im Kampf gegen den illegalen Welpenhandel lautet: niemals ein Tier aus Mitleid kaufen oder weil es billig ist.

Welpenhandel in Wien großes Problem

Die Tierärztin Eva Wistrela-Lacek hat eine Praxis im vierten Wiener Gemeindebezirk und berichtet von der Situation in Wien: "Jeder zweite Welpe, der mir in der Ordination vorgestellt wird, kommt aus der Slowakei oder aus Ungarn. Leider sind oft mittel- bis schwerkranke Tiere darunter." Sie vermutet, dass das Problem in Wien besonders präsent ist, da es sich um eine grenznahe Stadt handelt.


So sehen die ersten Lebenswochen in einer Vermehrerfarm aus. Auch die Trennung von der Mutter erfolgt oft zu früh.

Von "Schnäppchen-Hunden" kann Wistrela-Lacek auch finanziell gesehen nur abraten: Die Anschaffungskosten für vermeintliche Rassehunde seien vielleicht im Vergleich billig, die hohen Arztkosten glichen das aber schnell wieder aus. "Oft ist billig eben teuer gekauft", warnt sie. Denn auch wenn die Welpen nicht krank werden sollten, haben sie meist massive soziale Defizite.

Warnzeichen als Käufer erkennen

Deutliche Alarmzeichen sind, wenn die Verkäufer eine bunte Mischung an Rassen anbieten, das Muttertier nicht vorzeigen können und der Preis deutlich niedriger als am Markt üblich ist. Laut Gesetz muss zudem ein Hund, der den Verkäufer wechselt, gechippt sein und einen Impfpass haben. Bei Grenzübertritt muss der Verkäufer einen EU-Reisepass für den Hund vorweisen können, in dem die Initialen des Landes stehen, aus dem er stammt. Stutzig werden sollte ein Käufer also, wenn ein vermeintlich österreichischer Züchter einen Hund beispielsweise aus der Slowakei anbietet, sagt Wistrela-Lacek.

Frühe Trennung vom Muttertier

Im Buch wird der Leidensweg nachgezeichnet, den jene jungen Hunde, die günstig im Internet und auf Parkplätzen feilgeboten werden, bereits hinter sich haben. Ihre ersten Lebenswochen verbringen sie in unhygienischen Ställen. Diese Orte werden "Vermehrerfarmen" genannt.


Aufnahmen aus einer Vermehrerfarm.

Die Trennung von den Muttertieren erfolgt meist viel zu früh: Denn je jünger und "putziger" ein Welpe ist, umso größer ist die Chance, dass er schnell verkauft wird. Das Jungtier sollte jedoch nicht vor der achten oder neunten Lebenswoche von der Mutter getrennt werden. Diese Hunde zeigen sonst später Auffälligkeiten wie Misstrauen, Angst oder Aggressivität.

Blankoimpfpässe und Antibiotika

Ein ehemaliger Welpenhändler gab nach seinem Ausstieg unter Eid Details preis: So seien Blanko-Impfausweise verteilt worden, die einen Aufkleber des Impfstoffs, Stempel und Unterschrift eines Tierarztes enthielten. Die Impfausweise wurden ohne Namen des Welpen, ohne Geburtsdatum und ohne Zeitpunkt der Impfung ausgestellt. Diese Daten seien nachträglich von den Welpenhändlern eingetragen worden, so der Zeuge.

Verendete Welpen werden einkalkuliert

In Käfigen zusammengepfercht, ohne Auslauf, Nahrung und Wasser werden die Welpen dann mit den gefälschten Papieren in Kleinlastern nach Österreich, Deutschland, Frankreich, in die Beneluxstaaten und sogar bis nach Spanien transportiert. Verendete Tiere werden schon einkalkuliert. Von zehn Welpen überleben vielleicht drei, wird im Buch geschätzt.


Kein Futter, kein Tageslicht, nur schmutziges Wasser.

Die Hunde, die ihre ersten Lebenstage überleben, sind geschwächt oder meist schon an Durchfall, Staupe oder Parvovirose erkrankt. Die Probleme treten jedoch oft erst nach einer Woche auf: Denn zum einen gibt es eine Inkubationszeit und zum anderen werden viele Welpen mit Antibiotika und Cortison für den Verkauf "fit gespritzt".

Würmer in der Lunge

"Einige Menschen kaufen die Tiere nach dem Aussehen", berichtet Wistrela-Lacek. Vor Weihnachten hatte sie einen Welpen der beliebten Rasse "Papillon" in der Praxis, der bei einem seriösen Züchter relativ teuer ist. Der zehn Wochen alte Hund hatte nicht nur eine hochgradige Lungenentzündung sondern sogar schon Würmer in der Lunge.

Fünf Tage verbrachte er in der Tierarztpraxis, dann noch zwei Wochen auf der Veterinärmedizinischen Universität. Dort gibt es eine Seuchenabteilung, auf der viele dieser kranken Schmuggelhunde behandelt werden: Denn die infizierten Tiere stellen ein Gefahrenpotential für Menschen und andere Hunde dar. Die Kosten explodierten für die neuen Hundebesitzer in dieser Zeit.


Schnäppchen aus dem Kofferraum: Hier sollten bei potenziellen Käufern alle Alarmglocken läuten.

Ausrangierte, tumorverseuchte Muttertiere

Doch nicht nur die Welpen leiden. Breiten Raum widmen die Autoren auch den Schicksalen der "Vermehrerhündinnen". Eine Hündin bei einem seriösen Züchter wird in ihrem etwa 14-jährigen Leben maximal drei bis viermal trächtig. In den Vermehrerfarmen werden die Muttertiere ab der ersten Hitze, also schon im siebten bis neunten Lebensmonat, gedeckt. Aus diesem Grund würden auch Hormone gespritzt, damit die Tiere dreimal im Jahr trächtig werden können. Das begünstigt Wucherungen und Tumorbildungen bei den Muttertieren.

"Den Käufern soll ein Licht aufgehen"

"Bis zum achten Lebensjahr ist das Tier also mindestens 20- bis 24-mal trächtig. Wie sollen da Immunstoffe weitergegeben werden? Die Hündin hat doch selbst keine", sagt Gerda Melchior, Co-Autorin der "Welpenmafia", im Gespräch mit derStandard.at. Das hinterlasse seine Spuren. "Wenn man den Menschen vor Augen hält, dass die kleinen Hunde aus diesen Bäuchen kommen und von diesen tumor- und geschwürverseuchten Gesäugen unter Schmerzen ernährt werden, geht potenziellen Käufern vielleicht ein Licht auf", sagt sie.


Die Vermehrerhündinnen werfen bis zu dreimal pro Jahr. Das hinterlässt körperliche Spuren.

Erbkrankheiten tauchen oft erst spät auf

Auch Tierärztin Wistrela-Lacek will an den gesunden Menschenverstand appellieren. Wer Geld für einen Rassehund hinlegt, solle sich vorher informieren, was zu erwarten ist: Zuchtbuch, Impfungen, Papiere, Kennenlernen des Mutterhundes. Zudem gibt sie zu bedenken, dass es genügend "weggeschmissene Welpen und ausrangierte Zuchthunde" günstig in Tierheimen und bei Tierschutzorganisationen gibt. Wer ein Familienmitglied und kein Prestigeobjekt sucht, werde dort sicher fündig. Ein Vorteil sei, dass die Tiere dort nur gesund - oder mit Informationen zu Krankheiten und Defiziten - und nach ihrem Charakter vermittelt werden.

Wistrela-Lacek hat selbst eine Malteserhündin von der Tierhilfe NITRA übernommen, die ein paar Jahre lang als "Zuchtmaschine" herhalten musste. Das Tier wurde ausgemustert, als es krank wurde. Wegen einer Progressiven Retinaatrophie - einer Erbkrankheit, bei der die Netzhaut langsam abstirbt - erblindete sie. Bis heute gibt es keine Operation oder andere medizinische Maßnahmen dagegen. Es ist anzunehmen, dass sie die Erbkrankheit an viele ihrer Welpen weitergegeben hat und die Krankheit erst nach einigen Jahren auftritt. (Julia Schilly, derStandard.at, 19.3.2013)