
Bücherwand als Kulisse fürs turbulente Dinner zu fünft.
Wien - Erhitzte Gemüter und ein erkaltendes Couscous sind die Hauptingredienzien eines völlig aus dem Ruder laufenden Abendessens in der oberen Pariser Mittelschicht, das derzeit auf dem Menüplan des Stadttheaters Walfischgasse steht. Der Vorname, Matthieu Delaportes und Alexandre de la Patellières 2012 bereits für das Kino adaptierte Erfolgskomödie, lässt das Publikum hier Zeuge der Auseinandersetzungen im Hause Garaud werden.
Elisabeth und Pierre, sie Lehrerin und de facto Alleinerzieherin zweier Kinder (Ildiko Babos), er zwänglerischer Literaturprofessor (Oliver Baier), haben zum marokkanischen Mahl geladen. Es erscheinen Claude, der diskrete Frauenversteher (Alexander Rossi), Elisabeths Bruder Vincent, der auch bezüglich der Parkflächen für seinen SUV äußerst liberal agiert (Michael Rast), sowie, mit gehöriger Verspätung, dessen schwangere Partnerin Anna (Katharina Solzbacher).
Als das Tischgespräch auf den von Vincent für seinen Sohn bevorzugten Vornamen kommt, wird aus altbewährten Spötteleien bald bitterer Ernst. Adolphe soll der Spross in Anlehnung an Benjamin Constants Roman heißen. Die übrige Tischgesellschaft hat zu dem Namen freilich andere Assoziationen.
Erste Irritationen lassen bald tiefere Gräben aufbrechen, alte Konflikte werden aufgewärmt, und bisher Geheimgehaltenes wird offen aufgetischt. Diesen Schlagabtausch der wortgewandten Runde nimmt Carolin Pienkos Inszenierung von der leichten Seite. Das Tempo stimmt, die Pointen sitzen, und auch als es zum Äußersten kommt, bleibt das Lachen nicht allzu fest im Halse stecken. Der bildungsbürgerliche Background, in Form einer enormen Bücherwand das Bühnenbild (Ausstattung: Ilona Glöckel) dominierend, bricht nie über den Kontrahenten zusammen, sondern dient diesen vielmehr als behände zu erkletternde Spielwiese ihrer Konfrontation.
Die durchaus vorhandenen Spitzen gegen bourgeoise Bohemiens und Gentrifizierungsgewinnler bleiben leicht verdaulich, der Unterhaltungswert dieses Stücks gehobenen Boulevards bleibt zugleich hoch. Viel Applaus für einen runden Abend mit herber Note und süßem Abgang. (Dorian Waller, DER STANDARD, 12.3.2013)