Der 12. März ist der von Reporter ohne Grenzen (ROG) ausgerufene internationale Tag gegen Internet-Zensur, samt Bericht "Feinde des Internets" und der feierlichen Zeremonie des in Paris verliehenen Netizen-Preises. Die Feinde sind die üblichen Verdächtigen, angeführt von Syrien, China, Iran, Bahrain und Vietnam. In Vietnam lebt auch der diesjährige Blogger des Jahres, Huynh Ngoc Chenh aus Ho Chi Minh Stadt.

"Mir fehlen die Worte", war die erste, verblüffte Reaktion des vietnamesischen Bloggers. Der Preis, so Huynh Ngoc Chenh, werde jedoch auch jenen Mut machen, die es bisher nicht gewagt hatten, ihrer Meinung Ausdruck zu geben. Er selbst ist einer der bekanntesten Blogger des Landes. 15.000 Zugriffe registriert seine Website täglich. Angesichts der landesüblichen Internetzensur ist diese jedoch nur auf Umwegen, sprich mit Hilfe einer speziellen "Panzerknacker"-Software möglich. Doch alle wollen Chens Berichte und Kommentare lesen.

Chenh nimmt sich kein Blatt vor den Mund

Warum sie Chenh so sehr lieben? Der Blogger nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, demokratische Rechte, Menschenrechte und Informationsfreiheit zu verteidigen. Er scheut auch keine Repressalien angesichts seiner steten Kritik an der Regierung. Natürlich steht außer Frage, dass sein Kommunikationsnetz von Sicherheitsbeamten überwacht wird. Doch solche Methoden gehören dort ähnlich zum Alltag wie bei uns Verkehrskontrollen durch hinter Bäumen versteckten Radarpolizisten.

Blogger-Gefängnis Vietnam

Mit kritischen Stimmen geht Vietnam prinzipiell nicht zimperlich um. Auf der ROG-Rangliste steht das Land auf Platz 172, also nur sieben Ränge vor dem traditionellen "Schlusslicht" Eritrea. Erst vor wenigen Wochen wurden wieder acht Blogger und Bürgerjournalisten inhaftiert und zu drei bis 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Insgesamt sitzen derzeit 31 Netizens ein, was dem Land den zweifelhaften Ruf einbringt, eines der größten Blogger-Gefängnisse der Welt zu sein. Auch Huynh Ngoc Chenh hat bereits zu Genüge einschlägige Bekanntschaft mit der Polizei machen müssen. Stets ist er in Gefahr, trotzdem schreibt er weiter. Chen liefert die Materie für die "schwarzen Löcher" in Vietnams Internet-All. Und wer liefert die Technologie für die Cyber-Kontrolle?

Zensur-Know-how aus dem Westen

Anlässlich des  2013-Bericht über "die Feinde des Internets" spart Reporter ohne Grenzen diesmal auch nicht mit Kritik an demokratischen, westlichen Industriestaaten. Deren Unternehmen liefern das Zensur-Know-how rein marktorientiert und insofern skrupellos. Jeder der Internet-Zensur ermöglicht macht sich die Hände schmutzig. Also auch jene Betriebe, die die notwendige  Sicherheits- sprich Überwachungstechnologie an autoritäre Staaten verkaufen. Der Transfer dürfte florieren.

Kein Gedanke wird offenbar daran verschwendet, dass in Diktaturen so genannte Sicherheitstechnik im Handumdrehen zu einem perfekt-perfiden Kontrollsystem mutiert; zu einem bösen Instrument der Unterdrückung von Menschenrechten, zu einer Waffe gegen die Bürger. EU und USA untersagen inzwischen den Export entsprechender Technologien zumindest an Syrien und Iran. Doch was ist mit all den anderen zwar Internet-feindlichen, aber gut und prompt zahlenden Kunden? (Rubina Möhring, derStandard.at, 12.3.2013)