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Urlaub mit wenig PS wie auf Neuwerk im Wattenmeer bei Hamburg: Das kommt der Idee entschleunigten Reisens sehr nahe.

Foto: EPA/INGO WAGNER

Berlin/Wien - Verreisen ohne schlechtes Gewissen - das war bis in die 1980er-Jahre eine Selbstverständlichkeit. Flüge waren prohibitiv teuer, der Klimawandel noch kein Thema und CO2 nicht mehr als eine chemische Formel. Das hat sich grundlegend geändert.

Fliegen als Massenphänomen

Fliegen ist ein Massenphänomen geworden, nicht zuletzt dank der Low-Cost-Carrier. Städtereisen sind hip, gerade jetzt zu Ostern; auch schnell mal nach Mallorca jetten - günstige Arrangements machen es möglich. Für die Umwelt allerdings ist das alles andere als günstig. Diese Art von Tourismus hinterlässt schmutzige Spuren. Flugzeuge sind trotz technischer Verbesserungen CO2-Schleudern, Kreuzfahrtschiffe sowieso. Es geht aber auch anders.

"Langsam reisen, sich Zeit für Land und Leute nehmen, Hektik vermeiden - das ist gut für die Umwelt, aber auch gut für Körper und Geist", skizziert Johannes Reißland im STANDARD-Gespräch den etwas anderen Zugang zum Thema. Reißland ist Geschäftsführer des Forums Anders Reisen. 130 Reiseveranstalter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich auf dieser 1998 in Freiburg gegründeten Vermarktungsplattform für sanften Tourismus zusammengefunden.

Von der Nische in die Breite

Die großteils kleinen bis mittelgroßen Unternehmen verpflichten sich zur Einhaltung ökologischer, ökonomischer und sozialer Standards. Zusammen haben sie zuletzt gut 100.000 Touristen im Jahr bewegt - Tendenz steigend.

"Zuerst war es nur eine kleine Öko-Nische, jetzt zieht das immer größere Kreise", konstatiert Andreas Damson. Der studierte Ethnologe und Geograf hat viele Jahre in der Reisebranche zugebracht, bevor er sich 2004 mit dem Unternehmen Travel & Personality in Stuttgart selbstständig gemacht hat. Seine Betriebsanleitung für nachhaltiges Reisen: "Keine Kurzflüge, Fernflüge nur, wenn ein adäquates Verhältnis zwischen Flug- und Aufenthaltsdauer besteht, bei einheimischen Betrieben einchecken und so den lokalen Tourismus stärken - und aufklären."

Kritischere Reisende

Aber auch die klassische Urlaubsindustrie gibt sich zunehmend grün, auch weil die Reisenden selbst kritischer geworden sind. Ob Tui, Thomas Cook oder Kuoni - alle haben inzwischen ihre eigenen Umweltbeauftragten und Nachhaltigkeitsspezialisten.

"Reden und Handeln sind aber oft zwei Paar Schuhe", relativiert Reißland vom Forum Anders Reisen. "Auf den Papier- oder Wasserverbrauch im Hotel zu achten ist zwar löblich, aber relativ einfach und unserer Meinung nach zu kurz gegriffen. Bei uns muss nicht nur das Hotel ökologische Kriterien erfüllen, wir achten auf die Nachhaltigkeit der gesamten Leistungskette."

Folgerichtig habe man einen Verhaltenskodex für Lieferanten entwickelt, in dem unter anderem Aspekte wie die Achtung von Menschenrechten geregelt sind. Dazu gehört auch das Engagement gegen Kindesmissbrauch.

Anständige Löhne zahlen

Zu sagen, man müsse nur zu Hause bleiben und damit seien alle Probleme gelöst, sei nicht richtig. Reißland: "Viele Staaten sind auf internationalen Tourismus angewiesen. Das Ausbleiben von Devisen kann die Situation im Land verschärfen."

Nachhaltigkeit bedeute auch, sich in kleinen Gruppen zu bewegen und den Einheimischen auf Augenhöhe zu begegnen. Zudem gehe es darum, anständige Löhne zu zahlen, von denen sich die Angestellten ihre Krankenversicherung leisten und noch etwas für die Rente zurücklegen könnten.

Deutsch sprechend statt deutschsprachig

"Wir versuchen, möglichst Deutsch sprechende Reiseleiter einzusetzen, nicht deutschsprachige - das ist ein Unterschied", sagt Reißland. "Wenn beispielsweise jemand aus Thailand Deutsch spricht und die Kultur gut kennt, ist er für uns der Richtige."

Damson, der geschäftsführende Gesellschafter von Travel & Personality, geht völlig d'accord damit. Dennoch sei es wichtig, auch Reiseleitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine fundierte Ausbildung angedeihen zu lassen. Travel & Personality ist nicht nur Reiseveranstalter, sondern bietet auch Seminare an. (Günther Strobl, DER STANDARD, 14.3.2013)