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Die jüngste Hypothese zum Aussterben des Neandertalers: Sein Gehirn war auf gutes Sehen und die Kontrolle eines massigeren Körpers angelegt. Vielleicht blieb da nicht genug Kapazität für komplexes Sozialverhalten übrig, spekulieren britische Forscher.

Foto: REUTERS/Nikola Solic

London - Zuletzt waren es die Hasen und Kaninchen, die allen Ernstes verdächtigt wurden, indirekt einen Beitrag zum Aussterben der Neandertaler vor mehr als 30.000 Jahren geleistet zu haben: Allem Anschein nach waren unsere verblichenen Verwandten im Gegensatz zu Homo sapiens unfähig, die Kleinsäuger erfolgreich zu jagen.

Keine zwei Wochen später liefern Forscher die nächste Erklärung, warum die nach dem ersten Fundort Neandertal (bei Düsseldorf) benannte Menschenart kollektiv ins Gras beißen musste: Sie hatten für ihr vergleichsweise normal großes Hirn zu große Augen, vermuten britische Anthropologen im Fachblatt "Proceedings B" der Royal Society: Das Gehirn der Neandertaler sei allzu stark darauf ausgelegt gewesen, besser sehen zu können. Komplexe Denkprozesse blieben deshalb auf der Strecke.

Empirische Grundlage für die neue Behauptung war die Vermessung der Schädel von 21 Neandertalern und 38 modernen Menschen, die vor mehr als 27.000 Jahren lebten. Dabei fanden die prominenten britischen Wissenschafter Chris Stringer und Robin Dunbar gemeinsam mit Erstautorin Eiluned Pearce (Uni Oxford) heraus, dass Neandertaler viel größere Augenhöhlen als moderne Menschen hatte. Das wiederum bedeute, dass sie auch eine größere Netzhaut und letztendlich ein größeres Hirnareal zum Sehen besaßen.

Aufgrund der etwa gleich großen Gehirne beider Menschenarten war die Forschung bisher davon ausgegangen, dass auch die Gehirnstruktur und die Größe der verschiedenen Hirnareale ähnlich waren. Die britischen Experten vermuten nun jedoch, dass die Gehirne der Menschenarten verschieden organisiert waren - und die Neandertaler neben dem größeren Sehzentrum auch größere Hirnareale dafür brauchten, um ihre massigeren Körper zu kontrollieren. "Somit blieb weniger Gehirn übrig, um komplexere Aufgaben wie etwa Sozialverhalten zu bewältigen", so Eiluned Pearce.

Das übrigens träfe sich wieder recht gut mit der Hasen-Hypothese: Die Anhänger dieser Behauptung gehen nämlich davon aus, dass man sich zum Fangen von Hasen und ähnlichen Kleinsäugern - konkret etwa dem Ausräuchern von Kaninchenbauten - auf vergleichsweise kluge Weise koordinieren musste. (tasch/DER STANDARD, 14. 3. 2013)