Wien - Vergangenen Freitag erhielten die Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) überraschende Post: Helmut Denk, noch amtierender Präsident der Akademie, sandte die Einladung für die Wahl seines Nachfolgers am kommenden Freitag aus und schickte die bis dahin nicht bekannte Bewerbung des derzeitigen Vizepräsidenten Arnold Suppan gleich mit. Beigefügt waren auch ein Lebenslauf Suppans und drei Unterstützungserklärungen für den Osteuropa-Historiker. Einige Adressaten des Schreibens waren irritiert: "Diese Möglichkeit der Wahlwerbung in eigener Sache hatten die übrigen Kandidaten nicht."
Die Gesamtsitzung der Akademie hatte im November eine zehnköpfige Findungskommission eingesetzt, um Kandidaten für die Wahl zum neuen ÖAW-Präsidenten zu suchen - unter der Leitung des rüstigen, mittlerweile 88-jährigen Ex-Wissenschaftsministers Hans Tuppy. Nach Hearings war klar, dass sich drei profilierte Wissenschafter der Wahl stellen werden: Der Quantenphysiker Anton Zeilinger, zuletzt häufig als Nobelpreiskandidat im Gespräch, der Rechtswissenschafter Walter Berka, vor allem in Menschenrechts- und Medienfragen ein gefragter Experte, und der international renommierte Demograf Wolfgang Lutz. Eine Frau hätte eigentlich auch darunter sein sollen: Doch die Politikwissenschafterin Sonja Puntscher-Riekmann, ehemals Vizerektorin der Uni Salzburg, winkte ab und zieht es vor, in der Forschung zu bleiben.
Suppans Kandidatur wird von einigen ÖAW-Mitgliedern als Affront gegen Tuppy und die Kommission gewertet: Diese hatte im Sinne eines Neustarts einstimmig beschlossen, dass derzeitige Präsidiumsmitglieder nicht als Kandidaten infrage kommen. Der Mathematiker Norbert Mauser, Sprecher der Jungen Kurie, spricht sogar von "einem gravierenden Bruch aller Regeln." Suppan dagegen sieht eine "unverständliche Einschränkung" durch Tuppy, "die nicht der Geschäftsordnung entspricht". Noch während der Wahlsitzung, die freitags um 15.30 beginnt, könnten weitere Kandidaten auftreten.
Nicht nur die Junge Kurie wirft der derzeitigen ÖAW-Spitze vor, die längst fällige echte Reform des Hauses zu verschleppen und die Reformen aus der Ära Schuster zurück zu bauen. Die Ratschläge des Forschungskuratoriums zum Beispiel, ein international mit renommierten Wissenschaftern besetztes Gremium, würde man ignorieren. Vereinbarungen seien gebrochen worden. Das Kuratorium hatte zum Beispiel dringend empfohlen, die Gründung des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichteforschung rückgängig zu machen und die Gründung des Instituts für Mediterrane und Prähistorische Archäologie zu verschieben. Hauptgrund: Es gebe schon zu viele historische Institute. Das Präsidium habe sich zwar verpflichtet, sich daran zu halten, aber letztlich doch beide Institute sofort gegründet. Suppan kontert nun, das Kuratorium habe sich die ÖAW-Forschungseinrichtungen nie angesehen und Evaluierungsberichte nicht diskutiert.
Zuletzt trat der Mathematiker Ivar Ekeland, wie berichtet, aus dem Kuratorium aus. Weitere Austritte werden erwartet: Der Linguist Konrad Ehlich und der Immunologe Rolf Zinkernagel könnten dem Vernehmen nach die nächsten sein. Sie warten, wie es heißt, die Wahl ab. Und hoffen auf einen neuen Präsidenten, der Reformen zügig durchführt und ihren Rat nicht ignoriert. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 14.03.2013)