Wien – Man begibt sich auf die Suche. Doch es ist nicht leicht. Auskunft der dänischen Botschaft in Wien: "Uns an der Botschaft ist kein in Österreich lebender Färinger bekannt. Ich habe mich auch bei den hier ansässigen dänischen Kulturinstitutionen erkundigt, die einzige Färingerin, die in den letzten Jahren bekannt war, ist wohl schon vor einigen Jahren weggezogen."

Über Umwege aber, als die Hoffung schon beinahe fahren gelassen war, doch noch ein Treffer. Und dann?

"Ich weiß gar nicht, wer Sie überhaupt sind. Was werden Sie schreiben? Was ist, wenn alles, was Sie in die Zeitung hineinschreiben, ganz etwas anderes ist, als ich gesagt habe? Das hört man immer. Wenn das so ist, rüge ich Sie!"

Aber Elisabeth í Ger ðinum lacht dabei. Und Sie wird das im Verlauf des folgenden Telefonats noch öfter tun. Seit 1986 lebt die Physiotherapeutin in Österreich. Spezielle Bande scheinen zwischen den beiden Ländern geknüpft – und das durch Fußball. Schließlich absolviert man nun schon die dritte EM- oder WM-Qualifikation zusammen. Und was wusste man denn schon voneinander, vor 1990?

"Österreich ist halt irgendwie in Europa, von mehr hatte ich damals eigentlich keine Ahnung. Die Sprache konnte ich nicht sehr sinnvoll: Das ist ein Haus, das ist ein Auto. So ungefähr. Wenn ich jemanden besucht habe und mich Leute angesprochen haben, dachte ich oft: 'Hoffentlich sagen sie nichts mehr, ich kann nicht antworten.' Aber es ging schnell."

Sport ist wichtig auf den Schafsinseln. Man spielt gerne Handball, turnt, schwimmt (in Hallen). Und auch wenn Fußball am populärsten ist – angeblich sind 60 Prozent aller sportelnden Einwohner Kicker oder Kickerinnen -, zum Nationalsport hat er es nicht gebracht. Als solcher gilt das Rudern im traditionellen Färöboot, neun verschiedene Klassen gibt es – je nach Anzahl der Ruderer.

"Wo ich herkomme, ist immer viel los. Da denkt man gar nicht daran, dass man eigentlich von vielem abgeschnitten ist. Alles war da, ich musste nicht Kilometer fahren. Wir sind schon sehr gut organisiert, nach der Schule kann man gleich etwas machen. Und man spielt gegeneinander am Wochenende. Es ist alles ohne Profit. Jeder hat seinen Verein. Und irgendwann will man gegen Ausländer spielen. Und man macht alles Mögliche, Theater und Bingo und ich weiß nicht was. Damit man wieder Geld hereinkriegt, dass man fortgehen kann. Und sie schaffen das, wenn sie es wollen."

"Bei 7:0 drehe ich ab"

Die Ersten, die sich auf ballesterischem Feld wettkampfmäßig zu stellen hatten, waren dummerweise eine überhebliche ÖFB-Elf. Dummerweise für sie. Landskrona. Torkil Nielsen. 0:1. Ein verblüffter, seine unbändige Freude herausschreiender Fernsehmann. Josef Hickersberger, der nach eigenen Angaben ein halbes Jahr brauchte, um das Vorgefallene zu verarbeiten: Man kennt die Geschichte. Elisabeth hat das Spiel damals verpasst.

"Meine Mutter hat angerufen: 'Stell dir vor!' Zu meinem damaligen Chef habe ich gesagt, ich gehe schauen, und wenn es 7:0 für Österreich steht, drehe ich ab. Ich dachte, es wird peinlich! Dann habe ich mich aber natürlich furchtbar gefreut. Seitdem brauche ich nur sagen, ich komme von den Färöern, und alle sagen entweder: 'Oh Gott, nein!' Oder sie sagen: 'Das war super!' Manche finden das toll: Landpomeranzen zeigen es den Profis. Ich glaube, die haben einfach gekämpft wie die Löwen, und die Österreicher waren ein bissl zu hochnäsig. Das werden sie jetzt nicht sein, die werden sehr vorsichtig sein. Die Österreicher werden sicher gewinnen. Obwohl es sehr lustig wäre, wenn sie sie noch einmal schlagen."

Ein halbes Jahr später aber, im Mai 1991 (es sollte ein souveränes österreichisches 3:0 vorfallen), gab es kein Halten mehr.

"Meine Mutter ist seit dem ersten Match völliger Fußballfan geworden. Als das Spiel in Salzburg war, waren wir dort. Meine Mutter hat die Mützelhaube gestrickt für uns alle. An einer Tankstelle haben wir mehr Aufmerksamkeit gehabt als die Fußballspieler. Zufällig waren zwei vom Team dort, die haben gefragt: 'Wo habt ihr das her? Wir kaufen euch das ab!' Sie haben es nicht glauben können, dass wir echt sind."

Seit damals hat sich im färingischen Fußball einiges getan. Die höchste Liga ist zumindest numerisch bereits auf Augenhöhe, zehn Klubs spielen den Meister aus (erstmals war das 1942 der Fall). Halbprofitum hat Einzug gehalten. Verträge und Spielertransfers sind mittlerweile die Regel. Insgesamt gibt es vier Divisionen bei den Männern, zwei bei den Frauen. Jeder noch so kleine Ort hat einen Fußballplatz, manch einer ist äußerst pittoresk gelegen. Der Legende nach soll es aber schon vorgekommen sein, dass Spieler bei hohem Seegang von heranrollenden Brechern überspült wurden.

Und es gibt noch mehr Besonderheiten. So darf bei einem Elfer ganz offiziell ein Spieler zu Hilfe eilen um den Ball festzuhalten, sollte dieser angesichts der nicht unüblichen stürmischen Winde nicht auf dem Punkt verbleiben wollen. 2012 ein Weltrekord: Zum ersten Mal in der Fußballgeschichte spielten zwei Generationen einer Familie gemeinsam in einer nationalen Auswahl. Es waren Bára Skaale Klakkstein und ihre Tochter Eyðvør, die im Trikot des färingischen Frauenteams am 6:0 über Luxemburg mitwirkten.

"Es hat sich etwas bewegt: Sie haben jetzt ein Feld auf echtem Gras. Und die Buben spielen wie verrückt Fußball. Alles ist eifriger jetzt. Die Färöer sind dadurch auch bekannter geworden, es kommen mehr Leute zu Besuch. Es sieht ja dort aus wie in Island, nur die heißen Quellen gibt es nicht."

"Viele kennen viele, aber nicht jeder kennt jeden"

Der Eifer war es wohl auch, der 2010 dem jungen Tormann Gunnar Nielsen zu seinem Debüt für Manchester City verhalf. Ein historischer Moment, denn das war endlich der erste Auftritt eines färingischen Fußballers in einer großen europäischen Liga. 17 Minuten lang dauerte er, Nielsen hielt sein Türl sauber.

Färingische Erfolge gibt es übrigens nicht nur gegen Österreich, wie man vielleicht vermuten möchte. Hervorzuheben wären diesbezüglich Unentschieden gegen Schottland und WM-Teilnehmer Slowenien. Und im Oktober musste Zlatan Ibrahimovic Schwedens 2:1 retten. Eigentlich ist das phänomenal, die Färinger sind fraglos die Größten der Kleineren. 5.000 Fußballer und Fußballerinnen soll es geben, angesichts von etwa 48.000 Einwohnern eine sehr imposante Anzahl. Trotzdem steht man sich immer noch näher als anderswo.

"Viele kennen viele, aber nicht jeder kennt jeden. Die Österreicher glauben immer, ich kenne alle. Von damals habe ich aber zufällig den gekannt, der das Tor geschossen hat. Also, einige kenne ich schon. Er war im Gymnasium, als ich die Maturaschule gemacht hab. Ich habe ihm alle Berichte aus Österreich geschickt, nachdem ich gelesen habe, wie berühmt sie waren."

Nationaler Kraftakt: Rudern im Färöboot. Obwohl mitten im Atlantik wohnhaft, verfügten die Färinger bis ins 19. Jahrhundert nicht über hochseetüchtige Schiffe. (Foto: Ólavur Fredriksen/visitfaroeislands.com)
Foto: Ólavur Fredriksen/visitfaroeislands.com

Eine gewisse Beharrlichkeit zeichnet die kleine Nation aus. Torleif Sigurðsson, der ehemalige Präsident des Fußballverbandes (Fótbóltssamband Føroya, gegründet 1979), bearbeitete FIFA und UEFA so lange, bis der Beitritt erkämpft war (1988 bzw. 1990). Den Dänen, die seit dem ausgehenden Mittelalter auf den 18 Inseln das Sagen hatten, rang man seit dem Ende des zweiten Weltkriegs sukzessive immer mehr Autonomierechte ab. Mittlerweile sind Färinger als gleichberechtigte Nation innerhalb des Königreichs anerkannt und können auch in der Außen- und Sicherheitspolitik mitreden. Den Beitritt zur Europäischen Union haben die Insulaner verweigert. Ihr Parlament, das Løgting, ist über 1.000 Jahre alt, die Lager der Unionisten und Republikaner halten sich dort ungefähr die Waage. Als Nationalhelden gelten V. U. Hammershaimb, Begründer der färingischen Schriftsprache, und Nólsoyar Páll: Seemann, Balladendichter, Kämpfer gegen das dänische Handelsmonopol.

"Ein Österreicher will auch kein Deutscher sein"

Kaum verwunderlich, dass Traditionen hoch im Kurs stehen. Daher werden auch weiterhin putzige Papageientaucher im Fluge vom Himmel gefischt, um sie anschließend in gefüllten Braten zu verwandeln. Und wenn sich bei der gemeinschaftlichen Jagd nach Grindwalen die Buchten blutrot färben, fremdelt der Mitteleuropäer halt schon. Anstatt zu verurteilen, könnte er dann kurz einen Gedanken an die Lebensqualität seiner Fleischsemmel verschwenden. Das relativiert vieles. Gekickt wird auch schon seit 1892, der älteste Klub heißt TB Tvøroyri.

"Die Färinger wollen selbstbestimmt sein. Ein Österreicher will auch nicht ein Deutscher sein. Ich kenne viele nette Leute in Dänemark, aber sie haben eine andere Art. Man kann nicht sagen, die Faröer sind wie Dänemark. Das geht nicht. Wenn man sagt, du bist dänisch, dann denke ich – ja, okay, lass sie das glauben. Aber ich fühle mich nicht dänisch. Auch wenn ich einen dänischen König habe. Es ist viel zu weit weg."

Lauschig: Der ehemalige Platz des zweifachen Meisters EB/Streymur in Eiði. (Foto: Erik Christensen)
Foto: Erik Christensen

Man scheint aber durchaus miteinander auszukommen. Immerhin hat so mancher Däne als Teamchef der Fußballer fungiert, darunter der große Allan Simonsen und, nicht zu vergessen, der aktuelle Amtsinhaber Lars Olsen. Und Katrin Olsen, Weltklasseruderin und 2008 der erste färingische Mensch bei Olympischen Spielen, verstand sich bestens mit ihrer Partnerin im dänischen Doppelzweier. Bei Siegerehrungen hat sie dann aber schon auch die Flagge ihrer Heimat dabei. Früher, das klingt durch, wenn Elisabeth erzählt, gab es auf färingischer Seite aber wohl doch öfter das Gefühl, nicht ernst genommen oder gar übervorteilt zu werden.

Und wie ist das mit den Österreichern?

"Alle waren furchtbar nett zu mir. Sie sind ein bisschen sesshafter. Das ist nichts Negatives, aber es fällt mir auf. Viele waren ganz entsetzt: 'Was, Sie sind so jung hergekommen? Sie sind aber mutig!' Bei uns ist das normal, dass man nach Dänemark oder nach Schottland studieren fährt. Oder nach Norwegen. Oder aufs Schiff geht, wie viele junge Männer. Und man denkt sich: Na ja, der kommt halt wieder. Oder auch nicht – wie in meinem Fall. (lacht) Also, warum dann nicht nach Österreich?"

"Das Meer vermisst man als Färinger halt am Anfang sehr. Wenn ich lange nicht dort war, freue ich mich auch auf das besondere Essen. Wenn man Fisch frisch macht, ist es zwar auch ganz fein. Aber wenn man ihn ein bisschen aufhängt an der Meeresluft, dann ist er ... ein bisschen verrottet. Der schmeckt super! Den macht man mit Erdäpfeln und Fett vom Lamm. Sehr, sehr gut. Aber ich fürchte, nicht unbedingt für Ausländer. Es riecht sehr stark. Trockenfisch ist leichter für sie."

Was die Alpenrepublik betrifft, gäbe es übrigens einen viel früheren Anknüpfungspunkt als den Färöer-Pepi. Ernst Krenn, ein Skandinavist, galt in den 1930er und 1940er Jahren als führender Experte für das Färöische im deutschen Sprachraum. 1954 wurde er im Waldviertel von einem Lastwagen der Roten Armee überfahren. Elisabeths Nachname, Ger ðinum (sprich: dscheerinum), bedeutet in etwa kultivierte Erde oder kultiviertes Gut. Zusammen mit dem i (sprich: ui) wird daraus eine Herkunftsbezeichnung. Und widerlegt eindrucksvoll das Gerücht, auf den Färöern hießen alle Hansen.

"Mein Opa hat beschlossen, den Ort, wo er wohnt, im Namen zu haben. Wir sind so ziemlich die Einzigen, die so heißen. Und alle fragen: 'Wie bitte?' Aber da kann man nichts machen."

"Frag Knudsen, ob er Lust auf Kaffee hat"

Die eigene Sprache, in der Österreich Eysturríki heißt, ist eines der wichtigsten Elemente im Nationalbewusstsein der Färinger. Erst 1948 als Landessprache eingeführt, wird sie gehegt und gepflegt. In kaum einem anderen Idiom erscheinen mehr Bücher relativ zur Zahl der Sprecherinnen. Zu dieser Statistik trägt nun auch Jens-Martin Knudsen seinen Teil bei, der legendäre Goalie. Er stellte am Dienstag in Wien sein erstes Werk vor: "Der Mann mit der Pudelmütze". Und es war eben – das muss an dieser Stelle endlich einmal klipp und klar dekretiert werden – eine Pudelmütze (Unterordnung Skihaube) und keinesfalls, wie immer wieder fälschlicherweise behauptet, eine Zipfelmütze, die den sympathischen und eher zurückhaltenden Mann während der Matches schmückte. Ein himmelweiter Unterschied.

Ob Happel Elisabeth zu sehen bekommt, ist indes noch unsicher.

"Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch eine Karte kriege. Ich habe zwar gewusst, irgendwann kommen sie – und jetzt ist es schon diese Woche! Aber ich glaube, ich muss schon hingehen. Allein, damit ich wieder einmal Färinger sehe. (lacht) Und wenn du Knudsen siehst, frag ihn, ob er Lust auf einen Kaffee hat!" (Michael Robausch, derStandard.at, 20.3.2013)