Wien - Viel mehr als eine Karotte, die Fahrgästen in überfüllten Pendlerzügen bis Wiener Neustadt seit Jahren vor die Nase gehalten wird, ist die immer wieder versprochene Verbesserung des Nahverkehrsangebots auf der Südbahn (bis Wiener Neustadt) noch nicht. Öffi-Benutzer werden sich noch einige Jahre gedulden müssen, denn während die umstrittenen Milliardentunnel durch Semmering und Koralpe bereits in Angriff genommen wurden, bleibt das engste Nadelöhr im Großraum Wien, die überlastete Strecke zwischen Wien und Wiener Neustadt quasi in der Wartehalle.
"Viertes Gleis der Südbahn"
Das "vierte Gleis der Südbahn", wie der zweite Schienenstrang für die eingleisige Pottendorfer Linie im Verkehrsministerium genannt wird, existiert bis dato nur auf dem Papier. Im Herbst 2014 soll erst der Ausbau des ersten Abschnitts beginnen, der Abschnitt von Wien-Blumental bis ins niederösterreichische Münchendorf. Budgetiert sind dafür in dem von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) und der Bundesregierung genehmigten ÖBB-Rahmenplan 2013-2018 mindestens 359 Millionen Euro.
Etwas billiger ist der zweite Teilabschnitt von Münchendorf nach Wampersdorf, er wird laut Plan auf 21,5 Millionen Euro taxiert. Sein Bau beginnt allerdings nicht vor 2016.
Die eingleisige Lücke dazwischen bleibt freilich noch für gut ein Jahrzehnt erhalten: die Verbindung von Münchendorf und Ebreichsdorf, wo der Bahnhof umgebaut werden soll. Auch Ebreichsdorf-Wampersdorf steht auf der Warteliste. Dieser Abschnitt wird erst 2019 in Angriff genommen, zumindest soll er im ÖBB-Rahmenplan für die Periode 2014-2019 bereits enthalten sein. Eisenbahnrechtliche Bewilligungen im Bereich Ebreichsdorf und die Umweltverträglichkeitsprüfung fehlen freilich noch.
Wasserbauliche Maßnahmen
Insgesamt haben es die 23 Kilometer Pottendorfer Linie in sich: Es müssen Über- und Unterführungen gebaut werden, umfangreiche wasserbauliche Maßnahmen sind notwendig samt Herstellung und Umgestaltung des Wegenetzes und der Errichtung von Lärmschutzmaßnahmen. Kostenpunkt: 650 Millionen Euro.
Die Verkehrssprecherin der Grünen, Gabriela Moser, stößt sich am Schneckentempo beim Ausbau der Pottendorfer Linie, während es die Regierung bei Milliardentunneln eilig habe: "Mit einem dritten Gleis für die Schnellbahn, den Ausbau der Pottendorfer Linie und anderen Maßnahmen könnte man bis Gloggnitz 20 Minuten Fahrzeit sparen. Aber vor lauter Tunnelblick bleiben die Pendler weiterhin dem Sardinen-Dasein ausgeliefert - obwohl die Republik 60 Milliarden Euro für Infrastruktur ausgibt."
Linderung gegen dieses "Schneckentempo" könnten für die Fahrgäste weitere Doppelstockzüge nach Vorbild der "Wieselzüge" bringen, regt Moser an. Die kann sich freilich der ÖBB-Personenverkehr nicht leisten, hat er doch gerade erst rund hundert Schnellbahn-Triebwagen bei Siemens bestellt, die in den nächsten fünf Jahren gefertigt und geliefert werden.
Ministerium verteidigt Zurückhaltung
Im Verkehrsministerium verteidigt man die Zurückhaltung: Da die Südbahntunnel nicht vor 2025 fertig würden, habe man auch bei den Zulaufstrecken keine besondere Eile. Auch würde die Südbahn bis Wiener Neustadt durch eine zumindest partiell zweigleisige Pottendorfer Linie sehr wohl entlastet, weil Güterzüge zumindest teilweise umgeleitet werden könnten.
"Pendler brauchen auf der Südbahn nicht nur mehr Platz in den Zügen, sondern vor allem bessere Verbindungen und attraktivere Tarife", beharrt Moser. Das sei nur bei zügigerem Ausbau bis Wiener Neustadt möglich. Außerdem würde sich dadurch allein die Fahrt nach Gloggnitz spürbar verkürzen, was die Südbahn nach Graz nach Eröffnung des Semmeringtunnels noch attraktiver mache. Selbiges gelte übrigens auch für den "Marchegger Ast", wo Elektrifizierung und Streckenadaptierung von Vorgängerregierungen auf 2018 verschoben wurden. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 18.3.2013)