Wien - Wie viele Todesfälle eines Landes laut Statistik mit Drogen im Zusammenhang stehen, hängt nicht zuletzt damit zusammen, ob und wie genau Tote untersucht werden. Österreich nimmt - wie berichtet - laut Eurostat eine Spitzenposition bei den Drogentoten ein. Im Gesundheitsministerium, wo man auf andere Zahlen verweist und die internationale Vergleichbarkeit der Länderstatistiken in Zweifel zieht, heißt es dazu, man wünsche sich trotzdem mehr Obduktionen in dem Bereich.
Gerichtsmediziner, etwa die Leiterin des Departments in Salzburg, Edith Tutsch-Bauer, haben in der Vergangenheit auch davor gewarnt, dass hier von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.
Nicht zuletzt für gesundheitspolitische Fragen ist es wichtig, möglichst viel über Todesursachen zu wissen. Wobei man im Gesundheitsministerium beschwichtigt, man wisse, welche Krankheiten am häufigsten vorkommen und investiere viel in Prävention. Jedoch weiß Österreich immer weniger über die Todesursachen seiner Verstorbenen.
Die Zahl der Obduktionen ist nicht erst seit der vorübergehenden Schließung der Wiener Gerichtsmedizin im Herbst 2007, die seither für die Stadt Wien keine Obduktionen mehr durchführt, gesunken. Nur wenn von Fremdverschulden auszugehen ist, wird noch ein Gerichtsmediziner beauftragt.
Die langfristige Entwicklung zeigt ein sukzessives Schrumpfen der Obduktionen: Fanden im Jahr 1984 österreichweit noch 30.737 klinische, sanitätsbehördliche und gerichtsmedizinische Obduktionen statt, waren es laut Statistik Austria 2011 nur noch 11.838.
"Todesursache unbekannt"
Nicht ganz 1000 sanitätsbehördliche und gerichtsmedizinische Obduktionen wurden 2011 in Wien durchgeführt. Fünf Jahre früher waren es noch mehr als 1800 gewesen. Seit 2002 stieg die Anzahl der Todesfälle in Wien, bei denen die näheren Umstände nicht bekannt waren von 34 auf 57 im Jahr 2011. Mit vollständig unbekannter Ursache gab es 2002 in Wien elf Todesfälle, neun Jahre später waren es 15 Todesfälle, wobei in den Jahren 2007 und 2008 ein leichter Anstieg der Zahlen (31 beziehungsweise 42 Fälle) zu erkennen war.
Die Wiener Gerichtsmediziner und die Ärztekammer klagen zudem seit Jahren darüber, dass die gerichtsmedizinische Ausbildung auf dem Institut in der Wiener Sensengasse seit Herbst 2007 nicht mehr gewährleistet sei.
Bei der Eröffnung des renovierten, verkleinerten Instituts für Gerichtsmedizin im Juli 2010 hieß es, die Stadt und die Uni Wien seien nach wie vor daran interessiert eine Lösung zu finden, die die Durchführung aller Obduktionen in Wien wieder unter einem Dach vorsieht. Sanitätsbehördlich angeordnete Obduktionen der Stadt Wien finden derzeit aber in städtischen Krankenhäusern und in einem Container am Gelände des Zentralfriedhofs statt.
Der Container wurde 2008 aufgestellt - als Provisorium. Rund die Hälfte der rund 600 sanitätsbehördlich angeordneten Obduktionen pro Jahr finden nach Angaben des Gesundheitsdienstes der Stadt nach wie vor dort statt. Das sei so, weil man mit der Uni Wien nach wie vor keinen Konsens über eine gemeinsame Lösung habe. Gestritten wird ums Geld. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 19.3.2013)