Wien - Einem Kapitän des 2002 untergegangenen Öltankers Prestige hat es Julius Meinl V. zu verdanken, dass er einen großen Teil seiner 100-Millionen-Euro-Kaution zurückbekommt. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien berief sich in einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung nämlich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2010 - und damit eben auf die von der Prestige verursachte Ölkatastrophe im Atlantik.

Der Tanker war dort 2002 gesunken, 70.000 Tonnen Schweröl traten aus und verursachten eine gewaltige Ölpest. Die spanische Regierung bezifferte den Umweltschaden mit einer Milliarde Dollar, der Kapitän saß 83 Tage in Haft, bevor er gegen drei Mio. Euro Kaution frei gelassen wurde - was der EGMR zwar als hoch, aber noch gerechtfertigt ansah.

Auf diesen Fall ging das OLG nun in seinem 25-seitigen Beschluss ein. In der Sache selbst gibt die Instanz dem Erstgericht (lehnte die Herabsetzung der Kaution ab) recht: Der Tatverdacht gegen Julius Meinl ist aufrecht und "es besteht konkrete Fluchtgefahr". Dass die Kaution bei Meinl um mehr als das Dreiundreißigfache höher war als beim Prestige-Kapitän, erscheine aber "als nicht (mehr) gerechtfertigt", teilte das OLG mit. Ausgehend von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Meinls könne dessen "Fluchtanreiz auch durch die Festsetzung einer Kaution in Höhe von 10.000.000 Euro Einhalt geboten werden", urteilten die drei OLG-Richter. Bei der Staatsanwaltschaft Wien teilte man auf Standard-Anfrage mit, dass der mutmaßliche Schaden im Meinl-Verfahren mit rund sechs Milliarden Euro beziffert wird.

Für Meinl bedeutet die OLG-Entscheidung jedenfalls einen wichtigen Teilerfolg. Er bekommt 90 Millionen Euro plus Zinsen für vier Jahre überwiesen. Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl sprach von einem "ersten Signal zur Herstellung der Rechtsstaatlichkeit".

Kampf mit allen Mitteln

Wie berichtet, liefert sich die Bank seit Jahren ein beinhartes Match mit der Justiz. Spätestens seit Julius Meinl V. am 1. April 2009 für zwei Nächte in U-Haft genommen wurde, erhob die Bank massive Vorwürfe gegen die Ermittler, was bis zur Erstellung von Konzepten für "dirty campaigning" ging. Weinzierl sprach am Dienstag neuerlich von einer " fortgesetzten, massiven Vorverurteilung", die nun "endlich" eingedämmt werde.

Das Verfahren selbst läuft sogar bereits seit fünf Jahren. Im Kern geht es noch immer um den Verdacht auf Betrug, Untreue und Kursmanipulation im Zusammenhang mit der Immobiliengesellschaft Meinl European Land. Meinl und andere Beschuldigte bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Dauer des Verfahrens ist auch ein Hauptkritikpunkt der Meinl-Rechtsvertreter.

Ganz unschuldig an den Verzögerungen sind sie freilich nicht. Ermittlungen wurden mit Einsprüchen verzögert, gegen den aktuellen Gutachter wurden - später entkräftete - Plagiatsvorwürfe erhoben.

Die Staatsanwaltschaft Wien zeigt sich unbeeindruckt. Auf ihre Ermittlungen habe der OLG-Entscheid "keine Auswirkungen". (Günther Oswald, Renate Graber, DER STANDARD, 20.3.2013)