Im Plastik leben sie, die Träume der Designer. Denn Werkstoffe, die so schöne Namen tragen wie Fiberglas, Polyester, Polystyrol, Polypropylen oder das unaussprechliche Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere, das unter der Kurzbezeichnung ABS ein wenig bekannter ist, drängen zur Großserie. Und das lieben Designer.

Entspringt deren Tätigkeit doch der Trennung von Produktion und Entwurf, die mit der Industrialisierung begann. Und Kunststoffprodukte entfalten ihren vollen Charme erst, wenn sie tausendfach vom Band poltern, weil ihre Werkzeuge gigantische Kosten verursachen, was sich erst rentiert, wenn wieder und wieder das Gleiche und noch einmal Gleiches entsteht. Im Maschinentakt. Mit wenig Handarbeit. So ist es auch kaum verwunderlich, dass auf der Liste prominenter Plastikprodukte nahezu alle bekannten Designer der Gegenwart zu finden sind: Konstantin Grcic, Werner Aisslinger, Jasper Morrison, Ron Arad, Philippe Starck, Marc Newson und so fort.

Schon in den 40er-Jahren experimentierten Charles und Ray Eames mit Fieberglas, entwarfen 1948 den inzwischen zum Sammlerstück geadelten "Plastic Armchair Wood", kurz "PAW", der die formalen Freiheiten des glasfaserverstärkten Polyesters auskostet. Gefertigt wurde der Stuhl ab 1950 bei Herman Miller. Im gleichen Atemzug entwarf das legendäre Design-Ehepaar eine Liege, die es aber erst 52 Jahre später, 1990, bei Vitra zur Produktionsreife brachte: "La Chaise", ein Loblied auf die organische Formenwelt der 40er-Jahre, nun endlich bezahlbar im Handel. Tatsächlich waren die Designer vornehmlich an der Form interessiert, nicht am Material. Gemeinsam mit Eero Saarinen hatten die Eames den Wettbewerb "Organic Design in Home Furnishing", den das Museum of Modern Art 1940 ausgeschrieben hatte, für sich entscheiden können. Allerdings schwebten ihnen damals schwungvolle Möbelschalen vor, die aus dreidimensional verformtem Schichtholz gefertigt werden sollten. Was technisch kaum möglich war.

Erst als das Museum 1948 erneut einen Wettbewerb ausschrieb, der nach preiswerten Möbeln fahndete, gelang der Durchbruch mit dem "PAW": das erste Möbel, das sich seines künstlichen Materials nicht mehr schämte, organisch geformt und durch die Verwendung von Kunststoff nun auch (relativ) preiswert in die Geschäfte kam. Eine Art Dammbruch. Wie bei so vielen Themen des Designs war es dem Ehepaar Eames erneut gelungen, auch in dieser Sparte die Vorreiterrolle der Zunft zu übernehmen.

Erst in den 60er-Jahren konnten die Kollegen aufschließen. Richard Sapper und Marco Zanuso, die in Italien mit Plastik experimentierten, skizzierten 1960 den ersten Stuhl, dessen Beine aus Polyethylen gefertigt werden sollten. Allerdings bekam der Produzent, das für Plastikprodukte berühmte Unternehmen Kartell, die Technik erst vier Jahre später in den Griff. Wofür die Designer und der entschlossene Unternehmer, Guilio Castelli, mit der höchsten Designauszeichnung Italiens geehrt wurden, dem Compasso d'Oro. Aber erst mit Joe Colombos Stuhl "Universale" gelang es dem Hause Kartell, ein Sitzmöbel für Erwachsene auszuliefern.

Inzwischen wurde alles Mögliche aus dem Wundermaterial hergestellt. Fast scheint es, als seien sämtliche Klassiker dieser Zeit aus Plastik: Ettore Sottsass Schreibmaschine "Valentine" (1969), die leider viel zu teuer war, um Studenten die damals sehr angesagten Manifeste darauf formvollendet schreiben zu lassen, Walter Zeischeggs stapelbarer Aschenbecher (1966 / 67), der eigentlich als Formstudie im Rahmen der Designausbildung in Ulm entstand, Enzo Maris Vase "3087" für Danese (1969), die sich durch Umdrehen einmal für große, einmal für kleine Blumensträuße eignete. Und Verner Pantons S-förmiger Stuhl aus Polyurethan-Hartschaum - der wohl bekannteste Vertreter der Kunststoffmöbel - ging 1968 in Serie.

Doch mit der Ölkrise von 1973 war plötzlich Schluss mit lustig, die Euphorie verschwunden, Kunststoff geächtet. Mahner, denen aufgefallen war, dass die Grenzen des Wachstums bald erreicht sein würden, zeterten, wenn es um Produkte aus dem ebenso kostbaren wie begrenzt vorhandenen Öl ging. Quasi im vorauseilenden Gehorsam entwarfen die drei Italiener Jonathan De Pas, Donato d'Urbino, Paolo Lomazzi - die 1967 noch mit einem aufblasbaren Sessel für Furore gesorgt hatten - den überdimensionierten Baseballhandschuh "Joe" aus hochwertigem Leder: einen Sessel. Zwar war das Material korrekt gewählt, natürlich, aber der Hersteller Poltrona musste ihn immens teuer anbieten. Erst heute, da das Möbel wieder produziert wird, ist es auch bezahlbar geworden. Klar, aus Kunststoff. Der Hersteller Heller, in New York in der 5th Avenue und in Mailand beheimatet, produziert ihn im Rotationsgussverfahren. Nun also kann der Klassiker, resistent gegen Launen von Wind und Wetter, auch im Garten seinen Platz finden.

Womit wieder einmal belegt wird, dass Kunststoff zur Demokratisierung, also der massenhaften Verbreitung von Designprodukten seinen Beitrag leistet. Allerdings auch den Schund in die Welt bringt. Oder wie sonst sollte man die millionfach verbreiteten Monoblockstühle bezeichnen, auf denen die Hintern der Urlauber - egal an welchem Ort dieser Welt - im Sonnenlicht fest kleben, währen die wabbeligen Beine einzuknicken drohen. Billig ist nicht gut, und Geiz in keinem Fall geil. Das bemerkte auch Philippe Starck, der dem Kunststoff wieder zu Ruhm und Erfolg verhalf, als er schon Ende der 80er-Jahre auf das Massenmaterial setzte. Dem Fan von Großserien dämmerte bald, dass auch die Produktion von Designmöbeln aus Plastik kein Allheilmittel ist: Sie schafft nämlich kaum Arbeitsplätze. So machte er sich ans Werk, zeichnete einen Stuhl aus Aluminium, der in Handarbeit produziert wird - und dies freilich zu entsprechend hohen Kosten.

Buchtipp:

Florian Hufnagl, Bearbeitet von Renate Ulmer und Josef Straßer

"Plastics Design +", Arnoldsche Art Publishers
ISBN: 3-925369-72-4.

Mit Beiträgen von Giulio Castelli, Tom Dixon, Anna Castelli Ferrieri u. a. (Der Standard/rondo/18/07/2003)