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Fahrzeug der irakischen Armee, Umm Qasr, 14. März 2013.

Foto: REUTERS/Atef Hassan

Die kuwaitisch-irakische Grenze ist heute ein Nebenschauplatz in jeder Beziehung - aber doch stand das Thema am Anfang der Entwicklung, die zum aktuellen Irak geführt hat: Vor dem Einmarsch in Kuwait im August 1990 beschuldigte Saddam Hussein die Kuwaitis nicht nur des "Ölpreis-Dumpings", das der kriegsgeschädigten (vom Krieg mit dem Iran) irakischen Wirtschaft schwer zusetzte. Das irakische Regime hatte Kuwait auch beschuldigt, "Öl zu stehlen", das heißt, an der irakisch-kuwaitischen Grenze das irakische Ölfeld Rumaila anzubohren. Dahinter stand auch ein ständiges Infragestellen der Grenze - und natürlich auch der Eigenständigkeit Kuwaits, die als Resultat des britischen Imperialismus angesehen wurde, und zwar nicht nur von Vertretern des Baath-Regimes. Die Meinung, dass die jetzige irakisch-kuwaitische Grenze "ungerecht" ist, ist im Irak auch heute noch weit verbreitet. Sogar dem jetzigen Premier Nuri al-Maliki entkamen 2006 ein paar Bemerkungen über "offene Grenzfragen", in Kuwait lautete damals eine Schlagzeile "Maliki gräbt das Kriegsbeil aus“.

An dieser Grenze kam es also vor einer Woche zu einer Schießerei zwischen irakischen und kuwaitischen Grenzbehörden. Was genau passiert ist, ist schwer zu sagen, so ungefähr dürfte es gelaufen sein: Bei durch Kuwaiter durchgeführten Demarkationsarbeiten (es dürfte sich um Instandhaltungsarbeiten am Grenzzaun gehandelt haben) in Umm Qasr brachen Proteste auf der irakischen Seite der Grenze aus. Sie Demonstranten bewarfen die Kuwaiter mit Steinen, die irakische Grenzpolizei griff nach eigener Aussage ein und schoss in die Luft, um die Menge zu zerstreuen. Die Kuwaitis dachten, es gelte ihnen und schossen zurück ... Kuwait meldete den Vorfall der Uno, die sozusagen die Erfinderin dieser Grenzziehung ist.

Die erste vom Uno-Sicherheitsrat gezogene Grenze

Die Idee, diesen Hintergrund zu schreiben, kam mir, als ich die Reuters-Meldung dazu sah, in der zur irakisch-kuwaitischen Grenzziehung steht: "Both Iraq and Kuwait agreed to map out the exact position of their shared border after the first Gulf War ..." So ganz stimmt das eben nicht, und daher kommen auch die Spannungen.

Die irakisch-kuwaitische Grenze ist die erste in der Geschichte, deren Demarkation vom Uno-Sicherheitsrat angeordnet wurde, in Resolution 687 vom April 1991. Es gibt dazu eine umfassende juristische Diskussion, ob diese Anordnung nicht "ultra vires" war, also ob der Sicherheitsrat damit nicht seine Kompetenzen überschritten hat. Normalerweise ist die Grenzfrage eine, die zwischen zwei Staaten bilateral zu lösen ist, und wenn das nicht geht, kommt der Internationale Gerichtshof ins Spiel. Aber im Fall Irak-Kuwait wurde eben im Mai 1991 die "UN Iraq-Kuwait Boundary Demarcation Commission" ins Leben gerufen. Schon im April wurde zur Überwachung der DMZ (Demilitarized Zone) an der Grenze die UN Iraq-Kuwait Observation Mission (UNIKOM) aufgestellt, die erst im Oktober 2003 aufgelöst wurde. Sieben Monate früher waren ja die US- und die UK-Truppen durch die DMZ Richtung Bagdad durchmarschiert.

Dem Irak stand zwar ein Platz in dieser Demarkations-Kommission zu, aber ab Juli 1992 nahmen die Iraker nicht mehr an den Kommissionssitzungen teil. Bagdad wies nicht nur die Vorgehensweise des Uno-Sicherheitsrats an sich zurück, sondern auch die Basis für die Demarkation, im wesentlichen die "Agreed Minutes between the State of Kuwait and the Republic of Iraq" vom Oktober 1963, die zwar als Uno-Dokument registriert, aber vom irakischen Parlament nie ratifiziert wurden. Der Irak betrachtete demnach die Grenzfrage als "offen".

Anerkennung der Grenze 1994

Natürlich hatte der Irak nach der großen Niederlage 1991 keine Chance, mit seiner Rechtsmeinung irgendwo Gehör zu finden. Die Kommission nahm ihre Arbeit auf, übrigens war diese Grenze die erste, bei deren Bestimmung das damals völlig neue GPS zum Einsatz kam. Die Demarkation – die den kuwaitischen Vorstellungen von der Grenze Recht gab – wurde in Uno-Sicherheitsratsresolution 833 vom Mai 1993 bestätigt. Erst 17 Monate später, am 10. November 1994, gab das irakische Regime ein Dekret des Revolutionskommandorats heraus, in dem es die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit des Staates Kuwait und die internationale Grenze zwischen dem Irak und Kuwait anerkannte. Zuerst hatte Saddam Hussein noch Truppen an die Grenze verlegt, was mit einer scharfen Uno-Resolution beantwortet wurde.

Tariq Aziz, Saddams langjähriger Außenminister und späterer Vizepremier, schrieb Mitte Dezember 1998, nach der viertägigen US-Bombenkampagne Desert Fox,  einen Artikel in der irakischen Zeitung "Al-Thawra", in dem er bemerkte, dass Resolution 833 "irakisches Territorium weggeschnitten und den halben Hafen Umm Qasr Kuwait zugeschlagen hatte". Wie eine Anerkennung der Tatsachen klingt das nicht. Den irakischen Bauern, die durch die Grenzziehung ihr Land verloren, wurde übrigens eine Entschädigung aus einem Uno-Fonds zugestanden - das Geld durften sie sich jedoch, natürlich aus innerirakischen politischen Gründen, nicht abholen. Es lag 2007, als ich das letzte Mal nachfragte, noch immer auf einem Uno-Treuhand-Konto (die Uno-Resolutionen den Irak betreffend, mit Sanktionen, Abrüstungskommissionen etc. wurden ja erst 2007 abgewickelt). Laut einem "UN Blue Book" waren es Mitte der 1990er Jahre 56 Millionen irakische Dinar für 95 Bauern und weitere 15,5 Millionen für 206 aufgegebene Häuser. Hoffentlich war das Geld in Dollar angelegt und hoffentlich haben es die Bauern inzwischen bekommen. Die Wut an der Grenze ist aber noch immer da, wie der Vorfall von vergangener Woche zeigt. (Gudrun Harrer, derStandard.at, 20.3.2013)