Ein Ei, querliegen, das mit einem "Brotfinger" ausgetunkt wurde.

Foto: Auktionshaus Bergmann

Ein goldener Eierbecher für Ludwig XVI.

Foto: Auktionshaus Bergmann

Ein Schwanenservice-Eierbecher.

Foto: Auktionshaus Bergmann

Es geht also um Becherchen und Eier. Und als Pocillovisten bezeichnen sich Menschen, die Eierbecher sammeln. Zumindest im englischsprachigen Raum. Eine Liebhaber-ei wie viele andere. Eine Österreicherin hat es damit sogar ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Davon später mehr.

Die meisten von uns dürften zu Hause im Küchenkastl welche herumstehen haben und sie gelegentlich auch benutzen. Denn wie sonst sollte man ein weichgekochtes Ei ohne allzu große Patzerei verzehren?

Doch haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wann Eierbecher erfunden wurden und von wem? "Frau Columbus war es leid, immer die Eier auf den Tisch zu knallen", lautet dazu eine schelmische Antwort auf einer Wissens- und Ratgeberseite im Internet. Gatte Christoph steht mit seinem Namen zwar für die Entdeckung Amerikas und eine äußerst pragmatische Lösung, Eier am Davonrollen zu hindern. Doch mit der Erfindung des Throns für das Ei hatte er nichts am Admiralshut.

Schon die alten Römer löffelten ihre Eier aus speziellen Gefäßen. Ein Mosaik aus dem Jahr 40 v. Chr. aus der Stadt Antiochia, die damals unter römischer Herrschaft stand, zeigt eine Mahlzeit für zwei Personen mit zwei Eiern in Eierbechern. Bei Ausgrabungen in Pompeji, das 79 n. Chr. bei einem heftigen Ausbruch des Vesuvs verschüttet wurde, fand man unter der Asche einen silbernen Eierbecher mit passendem Löffel.

Im finsteren Mittelalter verschwanden die handlichen Behälter von der Tischfläche. Erst im 16. Jahrhundert kamen sie in den Häusern des europäischen Adels wieder in Mode. Auf einem Bild des auch in Linz tätigen Stilllebenmalers Georg Flegel aus dem 17. Jahrhundert ist zum Beispiel ein Zinnschälchen mit Füßen zu sehen, in dem ein Ei querliegt, das mit einem "Brotfinger" ausgetunkt wurde (siehe kleines Bild rechts oben).

Der französische König Ludwig XV. besaß goldene handgefertigte Eierbecher. Von ihm wird berichtet, dass er es vor den Augen seiner Entourage genussvoll zelebrierte, Eier "mit einem einzigen Messerstreich" zu köpfen. (Für seinen Nachfolger Ludwig XVI., der mit dem Köpfen eine ganz andere Erfahrung machen musste, wurde der goldene Eierbecher im großen Bild rechts gefertigt.)

Mit der Erfindung des europäischen Porzellans in Dresden bzw. Meißen wurden die Tafeln des Adels und Bürgertums mit Geschirr aus "weißem Gold" gedeckt. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts produzierten die namhaften Manufakturen selbst für kleine Speiseservice Eierbecher, die als Mundzeug bezeichnet wurden. Im England des 19. Jahrhunderts waren silberne "egg cups" beliebt, die inwendig oft vergoldet wurden. Dies, um zu verhindern, dass der im Ei enthaltene Schwefel mit dem Silber zu Silbersulfid reagiert und sich schwarz färbt.

Ein Blick in reale oder virtuelle Auslagen von heute vermittelt den Eindruck, dass es beinahe so viele verschiedene Eierbecherformen und -materialien gibt, wie Eier gelegt werden. Doch ein Zuviel an allem ist meist nicht zuträglich.

Eine Erfahrung, die kaum einem erspart bleibt. Auch nicht jenem deutschen Sammler, der sich in Eierbecher aus Meißner Porzellan verguckt hatte. Dermaßen, dass er sich nicht nur nach alten Stücken umschaute, sondern in der Porzellanmanufaktur auch viele Replikate alter Modelle anfertigen ließ.

Spezielle Einzelstücke wie etwa ein Schwanenservice-Eierbecher erzielten 2005 im Erlanger Auktionshaus Bergmann zwar durchaus stattliche Preise von 1700 Euro. Doch Auktionator Thomas Bergmann macht im Standard-Gespräch darauf aufmerksam, dass in diesem Fall die Käufer nicht am Eierbecher per se, "sondern an ausgefallenen Meißner Porzellanstücken Interesse hatten". Fast eine größere Nachfrage erzielte der als Buch erschienene Versteigerungskatalog.

Über den Verkauf ihrer mannigfaltigen Sammlung, deren Ei-light ein Biedermeierstück ist, brütet die Kärntnerin Hedwig Egger. 2700 Exemplare hat sie über Jahrzehnte zusammengetragen, was ihr einst einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde bescherte. Der erste Becher hatte sie 1980 auf einem Flohmarkt mit seinem aus dem Ei gepellten Charme bezirzt und war, wie sie sich erinnert, günstig zu bekommen. Doch nachdem es angesichts der vielen Flohmarktbesuche offensichtlich geworden war, wonach die damalige Besitzerin eines Antiquitätengeschäfts pirschte, waren echte Schnäppchen schwieriger zu bekommen. Doch sei es "ein bisserl wie eine Sucht" gewesen, erinnert sich die 70-Jährige, auch noch jenes Stück aus Silber oder dieses aus Holz geschnitzte haben zu wollen.

Vor vielen, vielen Jahren habe ihr ein Händler eine Million Schilling für ihre Kollektion geboten, erzählt sie. Dividiert durch 13,7603 wäre das rein rechnerisch ein Sümmchen von 72.672,8342 Euro gewesen. Doch die wahren Liebhaber und Liebhaberinnen unter den Sammlern und Sammlerinnen interessiert, wie in dieser Serie schon mehrmals gezeigt, letztlich die Freude an der reichen Beute und weniger das Geld.

Erst später, wenn die Ernte wie im Fall von Frau Egger wegen Pensionierung und Umzug in 13 Bananenkisten verpackt im Keller landet, schlüpfen, wenn auch ohne Verbitterung, Gedanken wie dieser durch: " Heute wäre ich froh, wenn ich 7000 Euro kriegen würde."

Der Jäger und Sammler steckt nun einmal in unseren menschlichen Genen. Und so werden wir auch heuer zu Ostern wieder eine archaische Freude daran empfinden, nach versteckten Eiern auszuschwärmen, die wir dann in Eierbecher stecken können - oder nicht. (Karin Tzschentke, DER STANDADR, 21.3.2013)