Strategien gegen eine Omnipräsenz des Automobils wünscht sich Willi Nowak.

Foto: vcö/marianne weiss

Der VCÖ-Chef ist davon überzeugt: Der elektrifizierten Mobilität gehört die Zukunft.

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Elektroauto heißt übrigens nicht nur Spartanerware: Das Concept One genannte Produkt der kroatischen Rimac Automobili.

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STANDARD: Der VCÖ hat vor 25 Jahren unter anderem damit begonnen, Autofahrern über eine Versicherung einen Pannendienst anzubieten. Das hat die etablierten Automobilclubs ziemlich verschreckt. Wollten Sie, dass sich die Autofahrer selbst abschaffen?

Nowak: Das Motiv lautete, auch ökologisch denkende Menschen haben ein Recht auf gute Serviceleistungen beim Autofahren, also Pannenhilfe, Abschleppung, Schutzbrief. Daher haben wir durchaus versucht, als Konkurrenz zu bestehenden Automobilclubs aufzutreten.

STANDARD: Hat das wirklich funktioniert?

Nowak: Wir haben innerhalb von drei bis vier Jahren mehr als 10.000 Mitglieder erreicht. Doch schon zu Beginn der 1990er-Jahre war klar, 100.000 werden es so schnell nicht. Das Bedürfnis, Vereinsmitglied zu werden, hat in der Gesellschaft allgemein abgenommen. Seither haben wir eine konstante Zahl von etwa 10.000, die den VCÖ wegen seines verkehrspolitischen Einsatzes unterstützen.

STANDARD: Wo bleibt dann die Erfolgsgeschichte?

Nowak: Der Grundgedanke war immer, Wir wollen Verkehrspolitik in Richtung Nachhaltigkeit beeinflussen. Das Vehikel der ersten Jahre war, über eine hohe Anzahl an serviceorientierten Menschen politischen Druck aufzubauen. Das hatte sich in den 1990ern überlebt. Der VCÖ setzte stattdessen auf Kompetenz und die Annahme, dass seine besseren Argumente von der Politik gehört werden.

STANDARD: Vom Mitgliederclub zur Lobbyvereinigung?

Nowak: Neben ausreichend vielen Menschen, die die Idee mittragen, und fachlich fundierten Argumenten braucht es zur politischen Durchsetzung auch die Vernetzung jener, die ähnliche Ziele verfolgen. Zusätzlich findet Verkehrspolitik ganz stark über die EU statt. Und so gründeten wir schon zu Beginn der 1990er-Jahre unsere Dachorganisation Transport & Environment in Brüssel.

STANDARD: Auch die Gegner haben aufgerüstet. Nach Tschernobyl und Hainburg in den 1980er-Jahren hat das Interesse an Umweltthemen doch wieder stark abgenommen?

Nowak: Das allgemeine Thema Umwelt hat zwar an Bedeutung verloren – aber die Nachfolgethemen, wie Klima, Gesundheit und Energie, haben extrem an Bedeutung gewonnen. Auch wurden die Themen anfangs noch nicht mit dem Verkehr verknüpft. Damals wurde Müll getrennt. Aber wir erreichen keine Klimaschutzziele, ohne die Verkehrsfrage zu lösen. Wir können keine Energiestrategie umsetzen, wenn wir unsere Erdölabhängigkeit nicht in den Griff kriegen.

STANDARD: Aber alle berufen sich doch auf die Wichtigkeit der Mobilität ...

Nowak: Die Motorisierung der Gesellschaft ist uns als Mobilität verkauft worden. Überall sind Autos, aber in den Städten stehen sie hauptsächlich im Weg herum. Etwa 70 Prozent der Wege werden zu Fuß, mit Fahrrad oder öffentlichem Verkehr zurückgelegt, aber bei weitem nicht 70 Prozent des öffentlichen Raumes stehen dieser Verkehrsleistung gegenüber. Das Auto hat sich nicht nur der Strukturen bemächtigt, sondern auch des öffentlichen Raumes. Da möchte ich mit dem Terminator sprechen: Wir wollen, dass der Platz den Maschinen weggenommen und den Menschen wieder zurückgegeben wird.

STANDARD: Aber das Auto erleichtert uns doch vieles enorm ...

Nowak: Auf den ersten Blick erleichtert es viel, macht das Leben bequemer. Aber die Motorisierung hat auch dazu beigetragen, dass wir uns zu wenig bewegen.

STANDARD: Also doch, Abschaffung des Automobils ...

Nowak: In der Region hat das Auto unbestreitbaren Nutzen – vor allem als Zubringer zum öffentlichen Verkehrsnetz, das das Rückgrat bildet. Das Grundprinzip lautet, öffentlicher Verkehr auf den großen Achsen, Verästelung durch Busse, Anrufsammeltaxis, privates Auto, Fahrrad und Gehen. Wir können davon ausgehen, dass in etwa 20, 30, 50 Jahren die motorisierte Mobilität weitgehend elektrifiziert abläuft. Den wichtigsten Teil der Elektrifizierung haben wir schon: die Bahn.

STANDARD: Das wird aber die Autoindustrie ziemlich deprimieren ...

Nowak: Ich habe keine Angst um die Automobilindustrie. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, also etwa der Erdölpreis steigt, die Nachhaltigkeitsziele ernst genommen werden, dann werden die Autohersteller schon fähig sein, das auf die Straße zu bringen, was der Markt braucht. (Rudolf Skarics, DER STANDARD, 22.3.2013)