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Ein Schiff, so groß wie ein Kleinstadt: Die MSC Divina hat Platz für 3.500 Passagiere und 1.000 Besatzungsmitglieder - und überragt die Häuser Venedigs.

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Innen hui, außen pfui?

Foto: Voss/Wattenrat

Kreuzfahrten sind beliebt wie noch nie zuvor. Vor allem in Europa feiern die Ozeanriesen Rekordbuchungen, die Zahl der Passagiere erreichte 2012 einen Rekordwert von 6,139 Millionen. Der internationale Kreuzfahrtverband Cruise Line International Association (CLIA) hat vor kurzem die aktuellen Zahlen bekanntgegeben.

In nur acht Jahren hat sich somit die Zahl der Kreuzfahrtpassagiere verdoppelt, allein Deutschland, das mit einem Anteil von 25 Prozent der zweitgrößte Kreuzfahrtmarkt Europas ist, legte um elf Prozent zu. Die meisten Kreuzfahrtpassagiere kommen nach wie vor aus Großbritannien mit einem Marktanteil von 28 Prozent. Und auch Frankreich legte um neun Prozent zu. Rückgängig waren die Passagierzahlen in Italien (minus 9 Prozent) und Spanien (18 Prozent), was aber vor allem auf die allgemein schlechte Wirtschaftslage der beiden Länder zurückgeführt wird.

Die Branche wächst kontinuierlich

Jährlich lag die Wachstumsrate in den vergangenen fünf Jahren bei durchschnittlich acht Prozent - und es scheint kein Ende in Sicht. Neue Schiffe schießen wie die Inseln nach einem Unterwasservulkan-Ausbruch aus dem Boden. AIDA hat mit ihrem Neuzugang AIDAstella nun eine Flotte von zehn Schiffen mit insgesamt 18.500 Gästebetten. Norwegian Cruiselines bricht am 30. April mit dem Neuzugang Norwegian Breakaway zur Jungfernreise auf. Bei MSC-Kreuzfahrten wird am 23. März die Preziosa getauft, und die MS Europa 2 von Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten erhält am 10. Mai ihren Namen. Neu hinzukommen wird dieses Jahr auch die Royal Princess von Princess Cruises. Dabei übertrumpfen sich die Reedereien in puncto Ausstattung, Luxus und Individualität, um den Kampf um die Passagiere für sich zu entscheiden.

Vier von fünf Gästen wählen für ihre Kreuzfahrt ein Reiseziel in Europa. Die EuropäerInnen bevorzugen den Mittelmeerraum, allerdings zeichnet sich ein Trend in Richtung Nordeuropa ab. 2012 wuchs die Zahl der Gäste, die es in nördliche Gewässer zog, um zehn Prozent - das stärkste Wachstum innerhalb der Kreuzfahrtindustrie.

Die schmutzige Kehrseite

Dass der rege Schiffsverkehr für die Weltmeere nicht ganz so schillernd ist wie das Innenleben der Giganten, geht aus Untersuchungen des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) hervor. Seit Jahren macht der NABU immer wieder auf die Umweltproblematik in Zusammenhang mit den Schiffen aufmerksam.

Der Betrieb der immer größer werdenden Schiffe ist extrem energieintensiv: Schiffstechnik, Klimaanlagen, Unterhaltungseinrichtungen, Schwimm- und Sportbereiche und auf manchen Schiffen sogar Eislaufplätze verschlingen Unmengen an Strom. In den meisten Fällen entsteht dieser durch die Motoren der Schiffe.

Immer mehr Passagiere würden ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie schädlich die Schiffsabgase für Umwelt, Klima und Menschen seien. Allerdings würden die Reeder bisher kaum auf die Gefahr reagieren, die von den Schiffen ausgeht. "Es ist höchste Zeit, dass die Reedereien endlich Verantwortung übernehmen und alle Schiffe auf den neuesten Stand der Technik bringen", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller anlässlich einer Pressveranstaltung des Deutschen Reiseverbands auf der diesjährigen ITB.

Dreckig wie fünf Millionen Autos

Dass die "schwimmenden Kleinstädte" zu den dreckigsten Emissionsquellen überhaupt gehören - "Ein Kreuzfahrtschiff verursacht so viele Abgase wie fünf Millionen Autos" (NABU) -, liegt an den minderwertigen Kraftstoffen, die für den Antrieb verwendet werden. So kommt auf hoher See hauptsächlich Rückstandsöl zum Einsatz, ein Restprodukt aus Raffinerien mit hohen Anteilen an Schwefel, Asche, Schwermetallen und giftigen Abfallprodukten. Dabei ist Schweröl vergleichsweise billig, und während Airlines bereits versuchen, Kerosinkosten zu sparen, ist der Preisdruck auf die Reedereien noch nicht so groß. Trotzdem wird versucht, Treibstoff zu sparen, indem die Schiffe langsamer fahren - was wiederum indirekt auch der Umwelt zugutekommt.

"Gemessen am Anspruch und an der betriebenen Nachhaltigkeitskommunikation zeigt beispielsweise AIDA eindeutig zu wenig Einsatz", sagt NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger. Vor allem die wirklich großen Umweltprobleme, die die Kreuzfahrtschiffe verursachen, würden bisher nicht angegangen. "AIDA fährt weiterhin da, wo es erlaubt ist, mit giftigem Schweröl und ohne jegliche Abgastechnik, Stickoxid-Katalysatoren oder Rußpartikelfilter", so Oeliger. Hapag-Lloyd sei etwas weiter, die MS Europa 2 ist das erste Kreuzfahrtschiff der Welt, das mit einem Stickoxid-Katalysator ausgerüstet ist. Das mache Hapag-Lloyd aus Sicht der NABU immerhin zum "grauen Schaf in einer Herde von schwarzen Schafen".

Abgesehen davon bergen die Schiffe noch eine weitere Gefahr. Wenn es zu einem Schiffsunglück wie jenem der Costa Concordia kommt und dabei das gelagerte Schweröl austritt, hat das verheerende Folgen für die Meeresbewohner sowie für Vögel und natürlich auch für die Menschen an der Küste. Der volkswirtschaftliche Schaden wäre immens, denn ölverseuchte Strände würden den Tourismus in der betroffenen Region für Jahre zum Erliegen bringen.

Flusskreuzfahrten als geringeres Übel

Etwas besser sieht die Situation bei jenen Schiffen aus, die auf Flüssen unterwegs sind. Sie müssen mittlerweile normalen Diesel mit maximal 0,001 Prozent Schwefel für ihren Antrieb verwenden. Das bedeutet, dass der Kraftstoff für die Hochseeschiffe bis zu 3.500-mal schmutziger ist als jener der Flusskreuzfahrtschiffe. Zudem würden für Flusskreuzfahrtschiffe zunehmend moderne Abgastechniken wie Rußfilter eingesetzt. Das liegt laut Oeliger jedoch nicht immer am gestiegenen Umweltbewusstsein der Reedereien. Vielmehr hätten Beschwerden von Passagieren und Bewohnern der Städte, in denen die Schiffe anlegen, dazu geführt, dass die Technik modernisiert wurde. Allerdings lägen Länder wie Ägypten und China bei dieser Entwicklung noch zurück.

Die Abgase sind aber nicht das einzige Problem auf den Schiffen. Im Laufe einer Kreuzfahrt entstehen jede Menge Müll und Abwasser. Je moderner ein Schiff ist, desto eher findet eine Brauchwasser-Aufbereitung statt. "Auf neuen Schiffen wird der Müll in der Regel getrennt und an Land entsorgt. Allerdings kann das Recycling der Schiffe auch nur so gut sein wie das weitere Verfahren an Land", sagt Oeliger. "Wenn ein Kreuzfahrtschiff seinen Müll beispielsweise in Neapel oder auf einer Karibikinsel entsorgt, nimmt dieser den gleichen Recyclingweg wie der normale Hausmüll vor Ort." Das würde mitunter bedeuten, dass sauber getrennter Abfall an Land am Ende doch wieder deponiert oder verbrannt wird - "keine optimale Lösung für die Umwelt".

Die Verantwortung sieht Oeliger sowohl bei den Reedereien als auch bei den Passagieren. Allerdings gibt er zu Bedenken, dass "die Kreuzfahrtanbieter wie kaum eine andere Branche von der intakten Natur leben". Mit der Natur und ihrer Schönheit werben sie in ihren Anzeigen, und darum sollten die Reedereien genau dazu einen großen Beitrag leisten. "Bisher tun sie das aber nicht." (ham, derStandard.at, 22.3.2013)