
Die nordöstlich von der Stadt Daressalam gelegene Insel Sansibar hat sich zur Drehscheibe für internationale Drogenbanden entwickelt.
Peter sitzt zusammengekrümmt auf einem Stück Holz. Der 32-Jährige schaut mit glasigen Augen aufs Meer. Mit der rechten Hand wischt er sich durchs Gesicht. Seit Jahren spritzt Peter Heroin. "So genau weiß ich gar nicht mehr, wann und warum ich mit dem Zeug anfing." Er hat keinen Job, keine Familie und nur ein paar Freunde. Die Sucht diktiert den Rhythmus seines Lebens. Alles dreht sich um eine Frage: Wo kriege ich den nächsten Schuss her?
Alarmierende Zahlen
Peter gehört zu den schätzungsweise 25.000 heroinsüchtigen der rund 40 Millionen Einwohner, die im bitterarmen Tansania leben – die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. "Die Zahlen sind alarmierend", muss Gesundheitsminister Hussein Ali Mwinyi einräumen. Etliche der Heroinopfer gelten zudem als HIV-positiv. Viele Abhängige wählen immer riskantere Methoden, um den Bedarf zu decken.
Experten wie die Medizinerin Flora Kessy vom Ifakara Gesundheitsinstitut befürchten: Die Drogenepidemie wird eskalierten. "Immer mehr Menschen in den Städten Tansanias rutschen in die Abhängigkeit von Heroin und auch Kokain", erklärt Flora.
Drehscheibe für internationale Drogenbanden
Vor ihr liegt eine Karte von Tansania, sie deutet auf die Insel Sansibar nordöstlich von der Stadt Daressalam. "Viele Schiffe mit Drogen laufen dort an", sagt sie. Sansibar hat sich zur Drehscheibe für internationale Drogenbanden entwickelt. Vor allem Heroinhändler aus Afghanistan überschwemmen das Tropeneiland, ein Schuss soll hier so günstig zu haben sein, wie eine Flasche Bier. Von Sansibar schmuggeln die Kartelle das Heroin weiter nach Europa und nach Nordamerika. Je mehr Heroin durch Tansania fließt, desto mehr bleibt im Land hängen.
Lasche Grenzkontrollen
Die Kriminellen nutzen die laschen oder gar nicht vorhandenen Grenzkontrollen aus. Christopher Shekiondo, Chef der Anti-Drogenkommission von Tansania, erklärt: Man habe in Tansania zwar gute Gesetze gegen Drogenschmuggel, sie würden nur nicht "effektiv umgesetzt". Auch das Uno-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) warnt: Afrikanische Staaten wie Tansania seien besonders leichte Ziele für die Drogenmafia. Diese Region biete sich als Schmuggelroute auch an, weil auf den Landwegen in Asien und im Nahen Osten die Sicherheitskräfte immer schärfer kontrollierten und auch viele Konflikte toben.
In Tansania fehlen spezielle Einrichtungen in denen die Süchtigen den Ersatzstoff Methadon erhalten könnten. Wenn ein neues Antidrogenzentrum seine Tore öffnet, so wie im September in Daressalam, feiert die Regierung jedes Mal das als Großereignis. (Jan Dirk Herbermann aus Daressalam, DER STANDARD, 22.3.2013)