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Bis heute ist jeder Versuch gescheitert, parawissenschaftliche Phänomene unter kontrollierten Bedingungen nachzuweisen.

"Süffisant", "polemisch" und "Lobbyismus-Talk": Das sind nur einige Reaktionen, die der Vortrag "Pseudowissenschaften auf dem Prüfstand" am Mittwochabend erntete. Zahlreiche Besucher erlebten dabei, wie die Grenzziehung zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft Welten aufeinanderprallen lässt - und in der anschließenden Diskussion Schlagabtäusche im Publikum provozierte. Das Thema jedenfalls interessiert: 500 Personen wollten Bernd Mayer vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften an der Uni Graz hören - Platz gab es jedoch nur für 250 Angemeldete.

"Warum das Thema polarisiert, verstehe ich nicht", sagt Mayer gleich zu Beginn. Immerhin seien die Grenzen scharf und klar. Pseudowissenschaften verwirrten allerdings häufig Laien: Die Produkte würden nämlich gerne mit Hilfe von Naturgesetzen und mathematischen Formeln beschrieben, um die angepriesene Wirkung zu untermauern. Auch private Organisationen wie die "Russische Akademie der Naturwissenschaften" - nicht zu verwechseln mit der Akademie der Wissenschaften - täuschen mit ihrem vermeintlich wissenschaftlichen Namen. Ihr gehören nämlich Nichtwissenschaftler an, die unter anderem das Granderwasser ausgezeichnet haben. Pseudowissenschaft tue aber nur so, als sei sie Wissenschaft, betont Mayer.

Vorsicht bei "Quanten"

Die Ohren spitzen sollte der Konsument bereits, wenn Worte wie "Quanten", "Energie" und "Schwingungen" häufig benutzt würden: Schlagworte, die zwar in der Physik ihre Berechtigung hätten, aber: "Kein Heilverfahren braucht diese Wörter zum Nachweis seiner Wirkung", sagt Mayer. Wenn zudem das angepriesene Produkt auf Gurus verweise, sei es meist pseudowissenschaftlich.

Ein anderes wesentliches Merkmal sei die Hypothese, die dem Produkt und seiner Wirkung zugrunde liege. Diese sollte verständlich formuliert sein. "Wenn Sie sie nicht verstehen, dann heißt das nicht, dass Sie dumm sind", so der Biochemiker. Sondern nur, dass es sich um Pseudowissenschaft handle, die sich gerne kompliziert ausdrücke.

Eine Behauptung muss außerdem widerlegbar sein - eines der Merkmale von Wissenschaft: Sie korrigiert sich immer selbst. Jedes Wissen ist dadurch aber auch vorläufig und unsicher - und öffnet Tür und Tor für Pseudowissenschaften. Diese schmücken sich gerne damit, dass sie unwiderlegbar sind. Sie beruhen außerdem auf Dogmen, die meist einige Jahrhunderte zurückgehen, und missachten Naturgesetze wie die Gravitation, das Massenwirkungsgesetz oder die Energieerhaltung. Zudem zeichnen sie sich durch selektive Beweisaufnahme und die Suche nach Geheimnissen wie Ufos und neuartigen Energieformen aus.

Keine nachgewiesene Wirkung

Die Wissenschaft hingegen müsse intersubjektiv nachprüfbar sein, sagt Mayer, die Experimente also durch unabhängige Beobachter überprüfbar sein. Die deutsche Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) hat 1990 Wünschelrutengänger getestet. Wasser aufgespürt haben sie aber keines - jedenfalls nicht außerhalb der theoretisch erwartbaren Zufallsverteilung. Zufälle sind laut Mayer nämlich nicht zu vernachlässigen - genauso wie der Placebo-Effekt. Seit 1996 jedenfalls winkt James Randi von der Skeptics Society mit einer Million Dollar Preisgeld für denjenigen, der unter kontrollierten Bedingungen parawissenschaftliche Phänomene nachweisen kann - bis heute ist jeder Versuch gescheitert.

Homöopathischer "Suizidversuch"

Neben Wünschelruten geht Mayer in seinem Vortrag auch auf die Homöopathie ein. Diese beruht auf den Lehren von Samuel Hahnemann und stammt aus dem Jahr 1796. Ähnliches solle mit Ähnlichem geheilt werden, außerdem gelte das Prinzip der Potenzierung: je verdünnter ein Arzneistoff, desto wirksamer ist er. "Die Verdünnung macht auch Sinn, immerhin muss die Toxizität verringert werden", erklärt Mayer. Die hochgiftige Tollkirsche ist nur ein Beispiel für Inhaltsstoffe von Globuli.

Um zu beweisen, dass hinter der Homöopathie vor allem eines, nämlich "potenzierter Humbug" stecke, startet Mayer einen "homöopathischen Suizidversuch". Ungeachtet der Warnungen einer Apothekerin über die extremen Nebenwirkungen wie Zerschlagenheit und unwillkürlichen Stuhlgang schluckt er vor den Augen des Publikums in einem Selbstversuch eine gesamte Packung Globuli.

Der Einfluss der Homöopathie in der Gesellschaft sei nicht zu unterschätzen, auch unter Studierenden würden 70 bis 80 Prozent Globuli schlucken, ist Mayer überzeugt. Wer die Lehren Hahnemanns oder andere pseudowissenschaftliche Produkte hinterfrage, könne allerdings oft mit Klagen rechnen: "Ich zahle viel in meine Rechtsschutzversicherung", kommentiert Mayer die Situation - und erzählt von einem Apotheker in Deutschland, der seine Auslage mit pseudowissenschaftlichen Produkten geziert hatte, betitelt mit "Scheiß des Monats". Bald darauf wurde er verklagt und musste die Aktion unterlassen.

Universitärer Einfluss

In der abschließenden Diskussion zeigt sich eine Zuhörerin "ein wenig enttäuscht", weil sie die Art und Weise seines Vortrags als "nicht wissenschaftlich" empfunden habe. Ein weiterer Zuhörer wirft dem Vortragenden Nähe zur Pharmaindustrie vor, da Mayers Sprache lobbyistisch angehaucht sei - was zu einem Schlagabtausch mit einem Physiker im Publikum führt, der darauf verweist, dass auch die Homöopathie als Beispiel für eine Pseudowissenschaft ein "riesiger Industriezweig" sei, der seinen eigenen Interessen folge, nämlich ein Produkt zu verkaufen. "Das wird bei der Kritik an der 'bösen' Pharmaindustrie gerne ausgeblendet", sagt er.

Ein Schwerpunkt der Diskussion ist der Einzug von Pseudowissenschaften an den Universitäten. Im Fokus steht dabei die MedUni Wien mit ihrer Ringvorlesung "Komplementärmedizin". Mediziner im Publikum verteidigen diese als Veranstaltung, die zukünftige Ärzte informiere, damit diese wüssten, wovon die Patienten reden. "Es geht nicht darum, zu sagen, ob Homöopathie wirkt oder nicht, sondern nur um die Information", erklärt ein Arzt. "Dann ist das aber ein Gutheißen von mittelalterlichem Gedankengut an der Uni, das hat dort nichts verloren", kontert Mayer. Den "Suizidversuch" überstand er übrigens unbeschadet. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 22.3.2013)