Wien - Weltweit ist Tuberkulose nach wie vor die häufigste zum Tode führende bakterielle Infektion. Dabei handelt es sich um eine meist ansteckende Erkrankung der Lunge mit komplexer Infektionsbiologie. In Mitteleuropa wird die Tbc inzwischen als seltene Erkrankung eingestuft, "die weltweit steigende Zahl multiresistenter Tbc-Erkrankungen gibt aber ernsthaft Grund zur Sorge", warnte am Freitag Holger Flick, Leiter des ÖGP-Arbeitskreises "Infektiologie und Tuberkulose" der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), aus Anlass des Welt-Tuberkulosetages am Sonntag.

Die Tuberkulose ist in Österreich weiterhin eine meldepflichtige Erkrankung. Die Zahl der Fälle hat in den vergangenen hundert Jahren kontinuierlich abgenommen, die Inzidenz weist seit Jahren ein vergleichsweise niedriges, stabiles Niveau auf. Dennoch wurden 2011 in Österreich 687 Tbc-Erkrankungen registriert. Das entspricht 8,2 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. Damit hat Österreich eine höhere Inzidenz als andere europäische Länder, wie etwa Deutschland mit 5,3 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2010. In den größeren Städten werden oft überdurchschnittlich hohe Inzidenzen beobachtet (Wien: 14/100.000 und Jahr). Das ist - genauso wie die größere Verbreitung unter sozial Benachteiligten, Migranten usw. - ein Charakteristikum der Tbc.

Tendentiell steigend

Die Zahl der multiresistenten (MDR-TBC) und extrem resistenten Tuberkulose (XDR TBC) hat weltweit zugenommen, auch in Österreich. "Aber mit 15 bis 20 Fällen von MDR-Tbc pro Jahr haben wir ein stabiles Niveau erreicht, 2011 waren es 19 MDR-TB Fälle", stellte der Experte fest. Unverändert große Sorge bereitet den Experten die XDR-TBC, deren Zahl in Österreich tendenziell zunimmt (2011 waren es sechs XDR-TB: Fälle).

Flick: "Vor diesem Hintergrund sind Erhaltung und Modernisierung der auf Tuberkulose spezialisierten Einrichtungen, inklusive Isolationsstationen und der Tbc-Fürsorgestellen, unverzichtbar.

Die Therapie von Patienten mit MDR-TB ist kompliziert, mit vielen Nebenwirkungen verbunden, dauert in der Regel 20 oder mehr Monate und kann bis zu 400-mal höhere Therapiekosten verursachen als die Behandlung einer unkomplizierten Tuberkulose. Trotz relativ niedriger Fallzahl, betonte Flick, bedürfe die Tuberkulose in Österreich größter Aufmerksamkeit seitens der Gesundheitspolitik. "Auch in Zeiten verstärkten Sparens dürfen bewährte und spezialisierte Einrichtungen und Netzwerke nicht in Frage gestellt werden, weil sie für das 'In-Schach-Halten' der Tuberkulose unverzichtbar sind", erklärte der Grazer Lungenspezialist.

Therapeutische Stagnation

Für das vergangene Jahr geht die WHO weiterhin von 8,7 Millionen Neuerkrankungen (13 Prozent HIV-positiv) und 1,4 Millionen Tbc-Todesfällen (31 Prozent HIV-positiv) aus. In Europa werden pro Jahr rund 60.000 Todesfälle registriert. Ein Großteil der Erkrankten lebt in Indien und China (40 Prozent) oder in Afrika (24 Prozent). Die höchste Inzidenz mit 1.000 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner weist Südafrika auf. International hat die Zahl an multiresistenter Tbc (MDR-TB) weiter zugenommen. Die Rate liegt weltweit bei 3,7 Prozent, in Europa bei 14 Prozent aller Neuerkrankungen. Bei bereits vorbehandelten Patienten beträgt der Anteil an MDR-TB in Europa sogar 49 Prozent.

Nachdem sich seit Jahrzehnten an der Behandlung wenig geändert hat und kaum neue Medikamente entwickelt wurden, soll diese "therapeutische Stagnation" nun überwunden werden: Mehrere neue Tbc-Medikamente und -Therapiekonzepte werden derzeit in klinischen Studien geprüft. Laut WHO ist auch mit einem neuen und effektiven Impfstoff zu rechnen, allerdings nicht vor 2020. (APA, 22.3.2013)