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Der Vergleich der Zara-Berichte der vergangenen Jahre macht Kontinuitäten des Ausländerhasses in Österreich sichtbar.

Foto: APA/INITIATIVE MINDERHEITEN/KARIN RAITMAYR

Der alljährliche Report von Zara, der Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus, listet markante Fälle von Diskriminierung und Übergriffen gegen "Fremde" auf. Die Palette reicht von Attacken gegen beispielsweise dunkelhäutige Menschen und Kopftuchträgerinnen auf offener Straße bis hin zur Hetze gegen sie im Internet. Doch der Report ist mehr als das: Stellt man Vergleiche mit den Berichten aus früheren Jahren an – der erste Zara-Report erschien 2001 - so werden Kontinuitäten des Ausländerhasses in Österreich erkennbar, ebenso beim Umgang damit.

Und man kann den Report – dem die (großteils spendenfinanzierte) Arbeit von Zara und damit die österreichweit einzige systematische Sammlung rassistischer Zwischenfälle zugrunde liegt – auch als eine Art Trendbericht lesen: Wie sich die Ausdrucksformen des Rassismus ändern, in einer Zeit, wo das Internet für Viele zu einer wichtigen Informationsquelle geworden ist. Und für manche gar zu einem Ersatz für direkte soziale Interaktion, was sie für die im Netz verbreiteten ausländerfeindlichen Gerüchte und Lügen besonders anfällig macht.

Heuer wurde der Zara-Report für 2012 nur eine Woche nach dem fragwürdig milden, wenn auch noch nicht rechtskräftigen Urteil (ein Jahr bedingt) gegen jenen Wiener präsentiert, der eine Kenianerin auf die U-Bahngleise gestoßen und dabei schwer verletzt hatte: Eine körperliche Attacke nach rassistischen Beschimpfungen im Jänner 2013, die daher wohl erst im kommenden Zara-Jahresbericht vorkommen wird.

Nicht wirklich friedlich

Der Übergriff geschah im "öffentlichen Raum", dem auch der Zara-Report alljährlich ein eigenes Kapitel widmet: Weil Attacken wie diese hierzulande zwar zum Glück nicht allzu häufig sind, aber doch öfter stattfinden als es dem Image des angeblich friedlichen Österreichs entspricht.

Allein für 2012 listet Zara (wo man betont, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nur einen Bruchteil aller rassistischen Vorfälle dokumentieren zu können) zwei rassistisch motivierte Angriffe mit Verletzungsfolgen für den angegriffenen Ausländer auf: Im Frühjahr wurde ein irakischer Asylwerber in einem kleinen burgenländischen Ort von einem Passanten ohne vorhergehenden Konflikt als Flüchtling beschimpft und per Faustschlag zu Boden gestreckt, wodurch der Iraker einen Jochbeinbruch erlitt. Im Oktober beleidigte ("Wir werden dich dorthin zurückschicken, wo du hergekommen bist!") und verprügelte ein Wiener einen österreichischen Staatsbürger türkischer Herkunft, der sein Auto vor einer Einfahrt geparkt hatte. Der Angegriffene musste in Spitalsbehandlung.

Zweimal konnte körperliche Gewalt knapp abgewendet werden: In Niederösterreich, als drei Österreicher einen Schwarzen, der in einem ÖBB-Zug einsteigen wollte, lautstark rassistisch beschimpften und mit Messern in der Hand verfolgten; andere Fahrgäste griffen ein und verhinderten Schlimmeres. Sowie in Wien, wo nur ein abends um die Ecke biegendes Polizeistreifenauto einen Mann in die Flucht schlug, der eine Frau aus Vietnam als "Schlitzauge" beschimpft und sie straßenweit verfolgt hatte, um bei einer Ampel plötzlich direkt hinter ihr zu stehen.

Wie ein roter Faden

Nun war 2012 wahrlich nicht das erste Jahr, in dem Vergleichbares gemeldet wurde. Berichte über handgreiflichen Rassismus im öffentlichen Raum ziehen sich wie ein roter Faden durch sämtliche Zara-Jahresberichte, denn derlei gehört in Österreich offenbar zu den Kontinuitäten.

Umso fragwürdiger erscheint angesichts dessen die Relativierung der Gefahren, die von rassistischer Propaganda ausgehen: Von jenen Slogans, die den dafür Anfälligen scheinbare Gründe für Angriffe auf AusländerInnen liefern und die vor allem in sozialen Medien sowie sonst per Internet verbreitet werden - und zwar mangels transnationaler Regelungen rechtlich vielfach ungehindert, was zudem schleichend die öffentliche Meinung vergiftet.

In Fällen, wo in Österreich eingegriffen werden kann, ist der Verhetzungsparagraf ein Mittel der Wahl. Doch leider: Trotz Novellierung vor knapp einem Jahr ist dieser nach wie vor recht wirkungslos, weil er vor der Beschlussfassung entschärft wurde. Davor sollten verhetzende Aufrufe zur Gewalt strafwürdig sein, wenn sie "öffentlich" getätigt wurden: eine einigermaßen klare Definition. Das wurde in "von einer breiten Öffentlichkeit wahrnehmbar" geändert - doch wie eine "Öffentlichkeit" beschaffen sein muss, um als "breite Öffentlichkeit" zu gelten, ist rechtlich nirgendwo bestimmt.

Entschärfung in letzter Minute

Zudem wurde aus dem Verhetzungsparagrafen in letzter Minute ein Passus herausgenommen, der, neben "Aufrufen zur Gewalt", auch Aufrufe zu "sonstigen feindseligen Handlungen" unter Strafe gestellt hätte: ÖVP und SPÖ hatten sich hier vom FPÖ- Angeordneten Peter Fichtenbauer überzeugen lassen (der zuletzt bekanntlich zum Volksanwalt und damit in eine menschenrechtlich höchst verantwortungsvolle Position avanciert ist): Durch die strengere Paragrafenversion hatte er die Meinungsfreiheit in Gefahr gesehen und Parallelen zum deutschen Ermächtigungsgesetz 1933 heraufbeschworen.

Nun, ein Jahr später, hat sich die Regelung im Praxistest als ziemlich zahnlos entpuppt. Zara fordert erneut eine Novellierung: vielleicht klappt es ja diesmal. (Irene Brickner, derStandard.at, 23.3.2013)