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"Er hätte gewinnen sollen", sagte Sebastian Vettel.

Foto: EPA/Yusni

Sepang - Man muss "Cars", den Animationsfilm aus den Pixar-Computern, nicht gesehen haben. Wenn man allerdings ein Kind hat, das wie narrisch auf Autos abfährt, könnte man "Cars" sehr wohl gesehen haben müssen, nämlich nicht ein- oder zweimal, sondern vielleicht sogar hundertmal. Und wenn man also "Cars" ein paar Mal gesehen hat, so fühlte man sich am Sonntag an einen gewissen "Chick Hicks" erinnert. Der ist ein echter Ungustl, schiebt andere Autos von der Strecke und feiert am Ende einen echt unverdienten Sieg, der ihm zwar einen Pokal, aber auch viele Buhrufe und Kritik einbringt.

Der Chick Hicks von Malaysia hieß Sebastian Vettel. Mit seinem Erfolg im zweiten Saisonrennen holte sich der dreimalige Weltmeister die WM-Führung. Er gewann in Sepang 4,2 Sekunden vor seinem Teamkollegen Mark Webber, nachdem er im Finish ein "Überholverbot" ignoriert hatte.

Vettels 27. GP-Sieg geht als ruhmloser in seine Statistik ein. Das waghalsige Manöver inklusive leichter Berührung, mit dem er Webber zehn Runden vor Schluss überholte, hätte es gemäß der entsetzten Teamführung gar nicht geben dürfen. Denn Red Bull hatte wie angekündigt auf eine reifenschonende Strategie gesetzt. Das österreichische Team wollte den Doppelsieg sichern, schickte deshalb nach dem vierten und letzten Stopp einen "Waffenstillstand"-Code ins Cockpit beider Fahrer. Trotzdem machte Vettel Druck. "Räumt ihn mir aus dem Weg", tönte der Deutsche am Funk und pfiff letztlich aufs Stillhalteabkommen, obwohl Teamchef Christian Horner ihn aufgefordert hatte, "nicht dumm" zu sein. Horner: "Sebastian hat beschlossen, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen. Das hätte nicht passieren dürfen. Er hat ganz klar eine Anordnung nicht befolgt. Das gehört besprochen."

Horner richtig sauer

Das nach dem Ferrari-Skandal 2002 auf dem Österreichring ausgesprochene Teamorderverbot ist in der Formel 1 längst wieder aufgehoben. Nur bei besonders krasser Auslegung greift die FIA noch ein. Schon am Podium war dem Asien-Spezialisten Vettel daher bewusst, dass er das Geschehene nicht als "Missverständnis" verkaufen können wird. Seine deshalb zahlreichen Entschuldigungen verpufften zunächst aber, auch Teamchef Christian Horner reagierte sauer.

Auf die Frage, warum man Vettel nach dem haarigen Überholmanöver gegen Webber nicht zum Rücktausch der Positionen aufgefordert hatte, sagte der Brite: "Glaubt wirklich jemand, dass Sebastian das getan hätte, nachdem er vorher die Anweisung ignoriert hat, nicht zu überholen?", fragte der Brite und machte klar, dass sich Vettel trotz aller Entschuldigungen weiter erklären müsse.

"Wir hatten eine klare Vereinbarung, aber Sebastian hat seine eigene Entscheidung gefällt und er wird dafür beschützt. So läuft das eben", machte Webber klar, wie die Dinge seiner Meinung nach bei Red Bull Racing gesehen werden.

Wurz: "Das hat sich über Jahre angebahnt"

Nicht unerwartet kamen die Geschehnisse für Alexander Wurz. "Der eine fährt um die Ehre, der andere glaubt, das Team hinter sich zu haben. Das hat sich über Jahre angebahnt", war der ehemalige Formel-1-Fahrer wenig überrascht. "Ob Drecksack oder Held, auf jeden Fall ist Sebastian Grand-Prix-Sieger. Und wenn du am Ende Weltmeister bist, ist es egal, wie es dazu kam."

Wurz sah deshalb auch die Situation bei Mercedes kritischer als jene bei Red Bull. "So etwas muss vorher ausgemacht werden", verstand auch der Österreicher nicht, warum man den am Ende schnelleren Rosberg "eingebremst" hatte. "Jetzt wird das öffentlich diskutiert, das ist nicht gut für das Team."

Wurz selbst ist offenbar eher ein Fan der Vettelschen Vorgangsweise. "Ich hatte damals die Peugeot-Teamorder, langsamer zu fahren. Ich habe das ignoriert, so bin ich Le-Mans-Sieger geworden."

"Bin nicht stolz darauf"

Vettel (25) führte anfänglich als Rechtfertigung an, sein Fehlverhalten nicht bemerkt zu haben. Später gab er zu, "Mist gebaut" zu haben. "Ich habe mich über eine Teamorder gestellt, das war dumm. Ich hätte die Reifen ruinieren können, es gibt keine Entschuldigung dafür. Ich habe einen Fehler gemacht, bin nicht stolz darauf. Es tut mir nicht leid, dass ich gewonnen habe. Aber Mark ist auch ein starkes Rennen gefahren. Er hätte gewinnen sollen. Ich würde gern mit einer netten Entschuldigung daherkommen, kann es aber nicht. Ich werde heute nicht leicht einschlafen."

Auf Vergleiche mit Michael "Schummel-Schumi" Schumacher ging Vettel nicht ein. "Ich hätte es besser wissen müssen. In mir sieht es nicht gut aus. Das ist eben so manchmal im Leben. Hätte man die Chance, etwas anders zu machen, würde man es anders machen. Aber es gibt für so etwas keinen Rückspulknopf."

Auch der ausgetrickste Mark Webber lässt sich nicht, um auf "Cars" zurückzukommen, mit dem alternden Champion "King" vergleichen, dem in der deutschen Fassung kein geringerer als Niki Lauda seine Stimme leiht. Und ein "Lightning McQueen", der Chick Hicks richtig einheizen könnte, ist in der Formel 1 weit und breit nicht in Sicht. (APA/fri, DER STANDARD, 25.3.2013)