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Schinken besteht aus größeren ganzen Fleischteilen. Der Großteil des Fetts ist mit dem freien Auge gut zu erkennen.

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Waldschweine und Wildschweine verfügen aufgrund ihrer Ernährung über mehr ungesättigte als gesättigte Fettsäuren. Bei Hausschweinen lässt sich der Fettgehalt über die Fütterung steuern.

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Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Der Gastroblock hat nur wenig mit Schinken zu tun, landet aber trotzdem nach wie vor als "Schinken" auf Pizza und Toast.

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Zigtausend Osterschinken wandern dieser Tage über die Ladentische, die Meinungen über Schinken gehen in der Bevölkerung aber auseinander. Zum einen gilt er als kalorienarm und bekömmlich, zum anderen wird vor krebserregenden Stoffen wie Nitrosaminen gewarnt, die beim Pökeln oder Räuchern entstehen. Beide Verarbeitungsmethoden vereinen sich in der Schinkenproduktion.

Verarbeitete Fleischprodukte erhöhen das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs zu erkranken, hieß es Anfang März in einer europaweiten Studie mit 450.000 Teilnehmern (derStandard.at berichtete). Etwa drei Prozent aller frühzeitigen Todesfälle seien auf den hohen Konsum von Wurstwaren oder Schinken zurückzuführen, und dafür brauche es nur mehr als 40 Gramm am Tag. Sollte deshalb der Verzehr von Osterschinken reduziert oder gar vermieden werden?

Sich den Genuss nicht verleiden lassen

"Schinken ist ein gutes Lebensmittel, das in Maß und Ziel genossen werden kann. Man muss ja nicht fünf Eier dazuessen", sagt Kurt Widhalm, Ernährungsmediziner und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde sowie Medizinische und Chemische Labordiagnostik. Die ernährungsmedizinische Bedeutung eines Lebensmittels stehe immer im Zusammenhang mit den generellen Ernährungsgewohnheiten eines Menschen, gibt er zu bedenken. So sei die Wertigkeit der Menge an Schinken, die eine Person eventuell zu Ostern verzehrt, nicht isoliert von den anderen Lebensmitteln auf dem Speiseplan zu betrachten. "Man soll sich den Genuss eines feinen Schinkens nicht verleiden lassen", meint Widhalm.

Von den Aussagen der Studie solle man sich "nicht irre machen lassen", sagt auch Friedrich Bauer vom Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin am Institut für Fleischhygiene, Fleischtechnologie und Lebensmitteltechnologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Wer sich ausgewogen ernähre, komme durchschnittlich nicht über 40 Gramm verarbeitete Fleischprodukte pro Tag.

Doch ausgewogene Ernährung ist die Sache der Österreicher nicht: Laut Österreichischem Ernährungsbericht liegen die Durchschnittswerte bei etwa 170 Gramm Fleisch pro Tag. Die eine Hälfte ist Frischfleisch und Faschiertes, die andere Hälfte sind Fleischerzeugnisse. Um die 85 Gramm täglich entfallen also auf verarbeitete Fleisch- und Wurstwaren. "In Österreich gibt es wenig Verständnis dafür, dass der Fleischkonsum zu hoch ist", weiß Kurt Widhalm und berichtet von einer Jubelmeldung der Fleischindustrie, die er kürzlich gelesen hat: Der Konsum an Wurst sei gestiegen. "Ich kann dazu nur sagen: Um Gottes willen!"

Die Pizzablock-Problematik

Was nehmen wir mit dem Schinken zu uns? Fleisch setzt sich aus Eiweiß, Wasser und Fett zusammen, wobei Schinken etwa fünf Prozent mehr Wasser als Fleisch enthält.

"Schinken kommt vom hinteren Teil des Schweines, vom Schweinsschlögel", erklärt Friedrich Bauer. Geselchtes, Selchroller und Teilsames bestehen dagegen aus Teilen der Schulter. Sie werden zwar umgangssprachlich ebenfalls als Schinken bezeichnet, als offizielle Deklaration ist das jedoch nicht erlaubt. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es laut Bauer in Österreich keinen Vorderschinken. Schinken und Pökelwaren sind immer gewachsene Teile des Fleisches oder aus gewachsenen Teilen zusammengesetzt. Nur beim Toast- oder Pressschinken werden kleinere Teile vom Schweinsschlögel verarbeitet.

"Toastschinken ist an sich nichts Schlechtes", sagt Bauer. Doch nach wie vor landet auch der sogenannte Pizza- oder Gastroblock - seit 2009 auch als "Schummelschinken" bekannt - auf den Tellern. Dabei handelt es sich um Schinken mit zu hohem Wasseranteil und zu vielen beigemengten Bindemitteln. Das Problem liegt im Übergang vom Produzenten auf die Gastronomie, weiß der Fleischexperte. Die Hersteller bezeichnen korrekt und führen gegebenenfalls auch einen überhöhten Wassergehalt an. In der Gastronomie wird dann aus dem Pizzablock ein "Schinken-Käse-Toast" oder eine "Schinkenpizza". Gesundheitsschädlich ist der Schummelschinken angeblich nicht. "Solange die Gastronomie ein so billiges Produkt haben will, wird die Industrie das so handhaben", meint Bauer, "die Gastronomie wird aber regelmäßig informiert".

Fett nicht mit Fett kombinieren

Versteckte Fette nimmt man laut Bauer mit Schinken kaum zu sich. Da er aus größeren ganzen Fleischteilen besteht, ist das Fett einfach am Fettrand oder an der Fettschicht zu erkennen, die den Schinken durchzieht. Im Muskelfleisch ist das nicht der Fall, doch hier bewegt sich der Fettgehalt in der Größenordnung von ein bis zwei Prozent. "Außerdem ist das intramuskuläre Fett ungesättigt und damit sehr hochwertig", weiß der Experte.

Zwischen drei und sechs Prozent Fettgehalt weist Schinken laut Widhalm hierzulande im Durchschnitt auf. Das bedeutet, zwischen 20 und 50 Prozent der zugeführten Energie werden durch Fett bereitgestellt. "Das klingt relativ hoch und ist es auch", sagt der Ernährungsmediziner. Wer Schinken zusätzlich mit Butter oder Mayonnaise kombiniert, kommt damit auf große Energiemengen, die in den meisten Fällen dem Verbrauch des Menschen nicht entsprechen. Deshalb empfiehlt Widhalm, den Schinken mit Senf, Kren und Vollkornbrot zu kombinieren: "Das kann herrlich schmecken und ist bekömmlich. Vor allem, wenn noch zusätzlich Bewegung ins Spiel kommt."

"Grundsätzlich ist Schweinefett nicht so schlecht, wie es immer dargestellt wird", erklärt Bauer. Es weist etwa 40 Prozent gesättigte Fettsäuren auf, die restlichen 60 Prozent entfallen auf ungesättigte Fettsäuren. Waldschweine und Wildschweine verfügen generell über mehr ungesättigte Fettsäuren, bei Hausschweinen lässt sich der Fettgehalt über die Fütterung steuern. "Es gibt Hinweise, dass sich in letzter Zeit durch Fütterungsversuche etwas geändert hat", beobachtet Widhalm eine Verbesserung der Fettqualität beim Hausschwein.

Kontrolliertes Räuchern

Ob die Schweine mehr Auslauf draußen oder mehr Platz im Stall haben, habe keinen eindeutigen Einfluss auf die Fleisch- und Fettqualität, meint Bauer: "Es gibt keinen Nachweis dafür, ob und wie sich die Schweinehaltung bei gleicher Fütterung auf die Fleischqualität auswirkt." Auch was die bei der Schlachtung freigesetzten Stresshormone betrifft, erkennt der Experte keinen Unterschied zwischen Massentierhaltung und Biohaltung. "Ein Bioschwein, das nach biologischen Kriterien gefüttert und dann beim Transport zum Schlachthof und vor der Schlachtung nicht artgerecht behandelt wird, setzt wahrscheinlich genauso viele Stresshormone frei wie ein Schwein aus konventioneller Tierhaltung." Einzig die Schlachtung am Hof brächte für die Tiere weniger Stress mit sich.

Schinken wird meist geräuchert und gepökelt. Ursprünglich diente diese Behandlung als Schutz vor dem Verderben. Heute bringt sie vor allem das gewünschte Aroma und die Farbe, soll allerdings auch das Risiko für Krebserkrankungen erhöhen. Dazu sagt Bauer: "In Österreich oder Mitteleuropa liegen wir beim Räuchern weit unter den EU-Grenzwerten. Heute wird kontrolliert geräuchert." Der Rauch darf nicht zu heiß sein, der Ort der Rauchentstehung nicht der gleiche sein wie der Ort des Räucherns. So entstehen weniger polyzyklische Kohlenwasserstoffe.

Das betrifft nicht nur die Industrie. Auch Fleischwaren aus kleinbäuerlicher Erzeugung sieht Bauer nicht unbedingt unkontrolliert geräuchert und damit schädlicher. Auch die Kleinen würden sich auf nichts mehr einlassen, und auch kleine Rauchkammern entsprächen den EU-Normen.

Was guten Schinken auszeichnet

Bauer weiß, was guten Schinken auszeichnet: "Er darf nicht gummiartig sein. Er muss saftig sein, aber wenn man hineinbeißt, darf das Wasser nicht wie bei einem Schwamm herausquellen. Er muss zart sein und eine schöne Farbe haben. Er darf keine grauen Stellen im Kern haben, denn das wäre ein Zeichen, dass er nicht richtig durchgepökelt ist."

"Schinken muss nicht so dünn geschnitten sein", widersetzt sich Bauer dem aktuellen Trend zu den hauchdünnen Scheiben, die den Zusatz von Phosphat notwendig machen und mitunter für die gummiartige Konsistenz verantwortlich sind. Dem gegenüber steht der Beinschinken, der in dickeren Scheiben mit dem Messer heruntergeschnitten wird.

Ob Schinken qualitativ hochwertig sei, lasse sich aus der Entfernung nicht erkennen. Deshalb empfiehlt der Fleischexperte bereits im Vorfeld des Erwerbs zu gustieren, welcher Schinken wirklich gut ist, und dafür einen Fleischer seines Vertrauens aufzusuchen. Osterschinken habe heute vermutlich nicht mehr die Bedeutung von früher, meint Bauer: "Früher waren Fleisch und Schinken kostbare Lebensmittel. Ich würde unterstellen, dass das heute nicht mehr so ist." Auch Kurt Widhalm plädiert für einen wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln: "Man soll vorsichtig damit umgehen und den Verderb vermeiden." (Eva Tinsobin, derStandard.at, 30.3.2013)