Welche Fragen sind beim Vorstellungsgespräch erlaubt? Persönlichkeitsbezogene jedenfalls nicht.

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Helga Kempinger, Leiterin der Rechtsschutzabteilung der Arbeiterkammer Oberösterreich.

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Welche Fragen im Rahmen von Vorstellungsgesprächen erlaubt sind und welche Konsequenzen aus Diskriminierungen resultieren, erklärt Helga Kempinger von der Arbeiterkammer Oberösterreich im Interview mit derStandard.at.

derStandard.at: Darf der Arbeitgeber beim Vorstellungsgespräch nach dem Kinderwunsch fragen?

Kempinger: Nein, das ist nicht legitim. Fragen, die sich auf die Intimsphäre von Arbeitnehmern beziehen, dürfen nicht gestellt werden. Darunter fallen Fragen nach Schwangerschaften und der Familienplanung.

derStandard.at: Auch nicht auf subtilere Weise?

Kempinger: Nein. Auch nicht, ob man einen Freund oder eine Freundin hat.

derStandard.at: Gesetzt den Fall, die Frage wird gestellt: Darf der Bewerber lügen?

Kempinger: Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder die unzulässige Frage überhaupt nicht zu beantworten oder sie falsch zu beantworten.

derStandard.at: Was sollen Bewerber machen? Kontern, dass die Frage die Privatsphäre tangiert und nicht beantwortet werden muss?

Kempinger: Für Jobkandidaten ist das eine schwierige Zwickmühle. Sie können sich nur schwer zur Wehr setzen, weil sie den Posten haben wollen oder ihn womöglich sogar brauchen. Mein Rat: Wenn es jemand nicht beantworten möchte, soll er das auch nicht tun.

derStandard.at: Beantwortet eine Bewerberin die Frage nach der Schwangerschaft mit Nein, kann sie auch dann nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sich nach der Einstellung herauskristallisiert, dass sie doch schwanger ist?

Kempinger: Nein, das darf keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen haben.

derStandard.at: Reicht schon alleine die Frage nach dem Kinderwunsch, um nach dem Gleichbehandlungsgesetz Schadenersatz fordern zu können?

Kempinger: Es kommt darauf an, ob die Beantwortung dieser Frage letztendlich ausschlaggebend dafür war, dass sie den Job nicht bekommen hat. War das der Fall, ist das eine Diskriminierung.

derStandard.at: Das müsste man also beweisen?

Kempinger: Hier gibt es eine Beweiserleichterung, man muss es glaubhaft machen. Oft ist das schwierig ist, weil Vorstellungsgespräche meistens unter vier Augen stattfinden.

derStandard.at: Klar auf der Hand liegt es, wenn das in der Begründung für die Jobabsage steht, wie vor kurzem bei einem Fall in Oberösterreich.

Kempinger: Wenn das so dezidiert irgendwo dokumentiert ist, ist die Diskriminierung natürlich klar.

derStandard.at: Wie hoch ist bei Bewerbungen der Anspruch auf Schadenersatz?

Kempinger: Wenn die Bewerbung gar nicht berücksichtigt wurde, steht ein Schadenersatz bis zu 500 Euro zu. Wenn sie also gleich aufgrund von diskriminierenden Kriterien aussortiert wurde.

derStandard.at: Und wenn es schon in Richtung Diskriminierung nach dem Vorstellungsgespräch geht?

Kempinger: Wenn es um die Diskriminierung eines Stellenbewerbers geht, können mindestens zwei Monatsentgelte gefordert werden und ein bestimmter Betrag an Schadenersatz - der ideelle Schaden.

derStandard.at: Das heißt, bei höher dotierten Stellen kann es auch in Richtung zehntausende Euro gehen?

Kempinger: Ja, das kommt auf den Verdienst an.

derStandard.at: Unter gewissen Umständen muss man eine Schwangerschaft aber angeben, weil Tätigkeiten mit dem Mutterschutzgesetz kollidieren und nicht ausgeübt werden dürfen, oder?

Kempinger: Nein, der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das nicht so ist. Bei dem Fall ist es um eine OP-Schwester gegangen. Die Gleichbehandlungsrichtlinie verbietet es, eine Schwangere, die sich zum Beispiel als OP-Schwester beworben hat, deshalb nicht einzustellen, weil sie wegen eines gesetzlichen Beschäftigungsverbotes an dieser Stelle nicht von Anfang an beschäftigt werden darf.

derStandard.at: Wie sieht es bei gesundheitsbezogenen Fragen aus? Sind die zulässig?

Kempinger: Nur, wenn das eine essenzielle Rolle für den Job spielt, sonst nicht. Ein Jobkandidat muss seine Erkrankung angeben, wenn es zum Beispiel um eine Gefahr für Kollegen und Kunden geht. Zum Beispiel bei offener Tuberkulose.

derStandard.at: Beispiel Asthma oder Epilepsie: Dürfen Arbeitgeber danach fragen, wenn es um bestimmte Tätigkeiten geht?

Kempinger: Nein, weil ja Betroffene Mittel bei der Hand haben, die eine Ausübung des Jobs ermöglichen. Mir fällt hier kein Job ein, der nicht in Frage kommt.

derStandard.at: Darf man Bewerber fragen, ob sie Raucher oder Nichtraucher sind?

Kempinger: Nein, das geht nicht. Arbeitgeber haben ja theoretisch die Möglichkeit, innerhalb des Betriebes ein Rauchverbot auszusprechen.

derStandard.at: Arbeitgeber könnten die Befürchtung haben, dass Raucher öfter pausieren als Nichtraucher.

Kempinger: Wenn der Arbeitgeber kein Rauchverbot erlässt, nimmt er in Kauf, dass Leute rauchen gehen. Bei einem generellen Rauchverbot im Betrieb stellt sich die Frage gar nicht.

derStandard.at: Raucher oder Nichtraucher ist also eine persönlichkeitsbezogene Frage, die man nicht beantworten muss?

Kempinger: Ja, so ist es, weil es für die Arbeit egal ist. Erlaubte Fragen im Bewerbungsgespräch beziehen sich nur auf Angaben, die der Arbeitgeber für sozialrechtliche und lohnrechtliche Belange braucht. Also, was er für die Einstufung in ein Lohnsystem oder den Kollektivvertrag benötigt. Etwa Fragen nach Ausbildungen, Vordiensttätigkeiten, Zeugnissen oder den Kenntnissen, wenn diese unmittelbar mit dem Job zu tun haben.

derStandard.at: Was darf neben den oben erwähnten Beispielen noch nicht aufs Tapet kommen?

Kempinger: Nicht erlaubt sind zum Beispiel Fragen zur Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, zur Gewerkschaft, zu einer Religionsgemeinschaft, zur sexuellen Ausrichtung oder Fragen zu Bekannten und Verwandten.

derStandard.at: Nach einer etwaigen Behinderung darf man auch nicht fragen?

Kempinger: Nein.

derStandard.at: Ist das der Fall, darf man lügen?

Kempinger: In dem Fall ist es etwas anders. Betriebe müssen von Gesetzes wegen eine gewisse Anzahl an Behinderten beschäftigen, sonst müssen sie eine Ausgleichstaxe zahlen. Firmen müssen also wissen, wie viele Behinderte im Betrieb sind und ob sie diese Verpflichtung erfüllen. Der besondere Kündigungsschutz von Behinderten kommt übrigens erst nach vier Jahren zum Tragen.

derStandard.at: Darf der Arbeitgeber ein ärztliches Attest über den Gesundheitszustand verlangen?

Kempinger: Nein, nur wenn die Ausübung der Tätigkeit gewisse gesundheitliche Voraussetzungen erfordert.

derStandard.at: Dürfen Arbeitgeber nach HIV fragen? Wenn ja, bei welchen Berufsgruppen?

Kempinger: Fragen nach dem Vorliegen einer Infektion mit dem HI-Virus müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden, wenn dies für die zu besetzende Position objektiv von Bedeutung ist. Das ist etwa der Fall, wenn tätigkeitsbedingt ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für andere Personen besteht. Bei Berufen im Gesundheitswesen wird dia nach dem derzeitigen arbeits- und sozialrechtlichen Diskussionsstand und nach den Gegebenheiten in der Praxis beispielsweise für invasive Tätigkeiten, bei Eingriffen in die Körpersubstanz und dem Kontakt mit offenen Wunden - zum Beispiel in der Chirurgie - bejaht. Aufgrund ausdrücklicher rechtlicher Vorgaben sind solche Fragen auch bei Beschäftigten in der Luftfahrt, zum Beispiel Piloten, zulässig. Bei Berufen, die mit einer Reisetätigkeit in Länder mit Einreisebeschränkungen für Menschen mit einer HIV-Infektion/Aids verbunden sind, wird eine diesbezügliche Frage im Zusammenhang mit der beruflichen Eignung ebenfalls zulässig sein.

Anderes wird für Personen gelten, die an Aids erkrankt sind. Wenn schon im Vorhinein klar ist, dass sie die für sie vorgesehene Arbeit krankheitshalber nicht voll erbringen können, müssen sie den Arbeitgeber bei der Bewerbung informieren. Zu beachten ist, dass jeweils auf den konkreten Einzelfall abzustellen ist.

derStandard.at: Sind Fragen nach Vorstrafen legitim?

Kempinger: Nur dann, wenn es einen Zusammenhang zwischen Delikt und Job gibt. Wenn ich eine Vorstrafe wegen Geldunterschlagung habe und einen Job in einer Bank annehmen möchte, muss ich das wohl sagen.

derStandard.at: Wenn die Vorstrafe nach einer gewissen Zeit getilgt ist, muss man Fragen danach beantworten?

Kempinger: Nein. (Oliver Mark, derStandard.at, 10.4.2013)