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Weniger staatlicher Einfluss soll EADS Flughöhe sichern. Im Bild die Fertigung eines A320 in Finkenwerder bei Hamburg.

Foto: EPA/Gambarini

Für eine blumige Sprache war Tom Enders noch nie bekannt. "Wir bewegen uns von einem System in ein anderes", meinte der deutsche EADS-Vorsitzende am Mittwoch zum Auftakt der Aktionärsversammlung in Amsterdam. Damit meinte der 54-jährige Hobbyfallschirmspringer nichts weniger als eine Revolution: Die im Jahr 2000 gegründete "European Aeronautic Defence and Space Company", kurz EADS, entledigt sich weitgehend ihrer Regierungsfesseln. Ihr bisheriger Aktionärspakt wird ersatzlos gestrichen.

Deutschland und Frankreich halten in Zukunft nur noch je zwölf Prozent der Anteile, Spanien kommt auf vier Prozent. Der Staatseinfluss beschränkt sich damit auf 28 Prozent des Kapitals - weniger als die Sperrminderheit. Der Rest des Kapitals wird an der Börse gehandelt.

Vetorecht ist vom Tisch

Abgeschafft wird insbesondere das Vetorecht der beteiligten Staaten. EADS könne damit selbstständig "Übernahmen, Allianzen und Fusionen" beschließen, erklärte Enders. Das war eine unverhüllte Anspielung auf die vor Jahresfrist gescheiterte Annäherung zwischen EADS und der britischen BAE Systems, die noch vor der amerikanischen Boeing einen neuen weltweiten Branchenleader geschaffen hätte. Dagegen hatte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gesträubt. Enders hat seither verschiedentlich durchblicken lassen, dass er diese "Jahrhundertfusion" keineswegs vom Radar gestrichen habe.

Die drei betroffenen Regierungen verlieren auch ihr Mitspracherecht bei der Bestellung des zwölfköpfigen Verwaltungsrates. Kaum gewählt, zog sich das aus Vertretern von sechs Nationen bestehende Gremium am Mittwoch zurück, um seinen Vorsitzenden zu wählen. Als Favorit gilt Denis Ranque, früherer Vorsteher des Pariser Rüstungsunternehmens Thales. Der 61-jährige Ingenieur versteht sich gut mit Enders; er genoss hingegen nicht unbedingt den Vorzug der französischen Regierung, die lieber die neue Verwaltungsrätin Anne Lauvergeon, frühere Chefin des Atomkonzerns Areva, an der EADS-Spitze gesehen hätte. Der neue deutsche Vertreter Hermann-Josef Lamberti (ehemals Deutsche Bank) war seinerseits kein Kandidat Berlins.

Große Mehrheit der Aktionäre

Die Aktionäre beschlossen ferner mit großer Mehrheit, dass EADS 15 Prozent seiner eigenen Aktien aufkauft. Das ermöglicht es, die " Aussteiger" Lagardère und Daimler auszuzahlen. Der französische Medienkonzern und der deutsche Autohersteller hatten bisher stellvertretend für ihre Herkunftsländer wichtige Anteile an dem EADS-Koloss (Umsatz 56 Milliarden Euro) gehalten.

Um diesen Aktienrückkauf im Umfang von sechs Milliarden Euro ist in Paris eine Polemik entbrannt. Die Präsidentin des wichtigsten französischen Vereins von Kleinaktionären, Colette Neuville, wirft den EADS-Aktionären vor, "die Ressourcen zu verschleudern, bloß um die Gewinne zu maximieren". Indem das Unternehmen die Hauptaktionäre bis zu einem Börsenkurs von 50 Euro auszahle, vernachlässige es die nötigen Investitionen. EADS habe "mit seinem Geld Besseres zu tun, nämlich Flugzeuge zu bauen und die Forschung zu entwickeln".

Gewerkschaften monieren ihrerseits, dass EADS den 140.000 Angestellten Sparpläne über insgesamt drei Milliarden Euro abverlange, sich bei den Großaktionären aber mit einem doppelt so hohen Betrag dafür "bedanke", dass sie nun dem Unternehmen den Rücken kehrten. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 28.3.2013)