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Das Regime beschuldigt die Rebellen - im Bild besuchen Offizielle eines der überlebenden Opfer im Krankenhaus.

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Der Schwede Ake Sellstrom soll untersuchen, ob in Syrien Chemiewaffen zum Einsatz kamen.

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 Damaskus/Wien - Ein schwedischer Wissenschafter wurde am Dienstag von Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon damit beauftragt, Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien zu untersuchen: Ake Sellstrom ist ein ausgewiesener Fachmann, der bereits bei der Aufklärung und Abrüstung des irakischen C-Waffenprogramms in den 1990ern beteiligt war. Und er kommt aus einem neutralen Land und genießt auch das Vertrauen Russlands, wo man befürchtet, dass der Westen einen Fall zum Eingreifen in Syrien konstruieren will.

Die Uno-Untersuchung eines Vorfalls in Khan al-Assal westlich von Aleppo am Dienstag vergangener Woche erfolgt auf Ersuchen des syrischen Regimes, das Rebellen beschuldigt. Allerdings haben sich Großbritannien und Frankreich mit dem Antrag angeschlossen, weitere Verdachtsfälle in Adra nahe Damaskus am Wochenende und einen in Homs im Dezember zu prüfen.

Eher keine C-Waffen im Einsatz

Aus der Ferne tendieren die Experten angesichts der Berichte eher zur Einschätzung, dass noch keine C-Waffen im Syrien-Konflikt zum Einsatz gekommen sind. Das wird auch dadurch gestützt, dass laut Geheimdiensten das Regime seine chemischen Kampfstoffe separat von den Einsatzwaffen (Gefechtsköpfe, Mörsergranaten) lagert - jede Bewegung, die darauf hinweisen könnte, dass die beiden Komponenten zusammengelegt werden, wird von außen genau verfolgt. Als die USA ihre erste starke Warnung an Bashar al-Assad absetzten, war das offenbar der Fall gewesen.

Auch Israel beobachtet die Lage genau und würde nicht untätig zusehen, wenn die syrische Armee so einen Angriff, auf wen auch immer, vorbereitet. Spezialkräfte sollen in Jordanien und der Türkei bereitstehen, um in so einem Fall einzugreifen. Die USA haben Assad klargemacht: Der Einsatz von Chemiewaffen ist ein "game changer", also ein Vorfall, der die Spielregeln ändern würde. Genau die Hoffnung auf eine US-Intervention könnte aber die Rebellen bewegen, solche Waffen selbst ins Spiel zu bringen.

Gegenseitige Beschuldigungen

Regime und Rebellen beschuldigen einander gegenseitig der Attacke in Khan al-Assad, bei der 26 Menschen getötet wurden. Sie galt aber einem syrischen ArmeeCheckpoint, auch Soldaten sind unter den Opfern. Angenommen wird, dass in Salzwasser gelöstes Chlorin (CL17) - eine ähnliche Substanz also, wie sie als Reinigungsmittel für Swimmingpools eingesetzt wird - in einem Gefechtskopf abgefüllt wurde. Nach Standards der Chemiewaffenkonvention ist CL17 "dual use", also keine reine Chemiewaffe (als solche wurde es aber im Ersten Weltkrieg eingesetzt). Eine andere Möglichkeit ist, dass ein Chlorintank getroffen wurde. Bei Aleppo gibt es eine entsprechende Fabrik.

Die Uno hat unbeschränkten Zugang zu allen Schauplätzen gefordert - wie sich das in dem zum Teil von jihadistischen Milizen, die dem Westen genauso feindliche gegenüber stehen wie dem Regime, gestalten wird, kontrollierten Gebiet gestalten wird, bleibt zu sehen. Das syrische Regime hat bereits Boden- und Blutproben an die Uno gesandt.

In Syriens C-Waffen-Arsenal dürften sich Sarin und Senfgas, wahrscheinlich auch VX, befinden. Syrien hat die Chemiewaffenkonvention nicht unterschrieben - und kontert entsprechende Forderungen mit einem Hinweis auf Israels Atomwaffen außerhalb des Atomwaffensperrvertrags. Von einer C-Waffen-Doktrin Syriens ist nichts bekannt, vor allem, ob Syrien wirklich glaubt, dass sie als Abschreckung gegen einen Angriff von außen dienen können.

Im Golfkrieg 1991 haben die USA den Irak mit der Drohung, mit Atomwaffen zurückzuschlagen, vom Einsatz von Chemiewaffen abgehalten. Das ist einer der Gründe, warum manche Strategen der USA die explizite "First Use" -Option erhalten wollen: die Drohung mit einem A-Bombeneinsatz auch für Fälle, in denen keine Atomwaffendrohung vorliegt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 28.3.2013)