Die Forscher fanden heraus, dass sich bei jungen Mäusen auch direkt innerhalb der Nervenzelle Plaque anlagert. Wenn das auch beim Menschen so ist, könnte man Alzheimer künftig bereits im Frühstadium diagnostizieren

Foto: Sathish Kumar/Neurologie Uni Bonn

Bonn - In Europa leiden mehr als sechs Millionen Menschen über 65 Jahren an Alzheimer, ihre Zahl könnte sich auf zehn Millionen bis zum Jahr 2040 erhöhen. Das Gehirn von Alzheimer-Kranken weist typische Eiweißablagerungen auf, die genaue Ursache der Krankheit ist aber unbekannt. Verantwortlich für den Untergang der Nervenzellen werden Ablagerungen aus fehlerhaft gefalteten Beta-Amyloid-Peptiden gemacht. Sie beeinträchtigen die Funktion der Nervenzellen lange bevor sich erste klinische Symptome bemerkbar machen.

Ablagerungen auch von innen...

Bis jetzt wurde vermutet, dass sich die schädlichen Plaques von außen an die Nervenzellen anlagern und sie schließlich in den Untergang treiben. Deutsche Wissenschaftler entdeckten nun in Mäusegehirnen gefährliche Ablagerungen direkt in den Nervenzellen. Diese Variante verklumpt stärker und ist auch schwerer abbaubar.

Möglicherweise dienen die im Inneren befallenen Zellen als ein Keim, von dem aus sich weitere schädliche Plaques im Gehirn bilden. "In vorangegangenen Untersuchungen haben wir festgestellt, dass Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe im Gehirn besonders schädlich sind", berichtet Jochen Walter von der Uniklinik Bonn. "Sie verklumpen stärker und sind viel schwerer abbaubar als Peptide ohne Phosphatgruppe."

... vor allem bei Jungtieren

"Ein überraschender Befund unserer Studie ist, dass sich die besonders schädlichen Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe bei jungen, zwei Monate alten Tieren nicht außen, sondern direkt in den Nervenzellen ablagerten", berichtet Forschungsleiter Sathish Kumar. Im weiteren Verlauf der Erkrankung bekamen dagegen die äußerlich abgelagerten Plaques die Oberhand: Bei etwa sechs Monate alten Mäusen hielten sich die Ablagerungen inner- und außerhalb der Nervenzellen in etwa die Waage. Waren die Tiere älter als zwölf Monate und die Krankheit noch weiter fortgeschritten, befanden sich die Amyloid-Peptide vor allem außerhalb der Gehirnzellen.

Um die besonders schädlichen Peptide mit Phosphatgruppe von den weniger schädlichen ohne Phosphat unterscheiden zu können, entwickelten die Wissenschaftler spezifische Antikörper, die entweder zur phosphathaltigen oder zur phosphatfreien Variante der Beta-Amyloid-Peptide passten wie ein Schlüssel ins Schloss. Zusammen mit speziellen Färbetechniken konnten die Forscher mit den so gewonnenen Antikörpern nachweisen, wo sich phosphathaltige oder phosphatfreie Ablagerungen in den Gehirnen der verschieden alten Mäuse befanden.

Alzheimer frühzeitig erkennen

"Die frühen Ablagerungen direkt in den Nervenzellen zeigen, dass die Alzheimer-Erkrankung bereits beginnt, wenn von außen noch gar keine Plaques erkennbar sind", so Forscher Walter. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig, weil bei den Patienten die Diagnose und Behandlung möglichst frühzeitig einsetzen sollte, um die Verschlimmerung der Symptome wie Gedächtniseinbußen und Verhaltensauffälligkeiten möglichst lange hinauszuzögern.

Darüber hinaus stehen die Nervenzellen, die die Ablagerungen mit Phosphatgruppe in sich tragen, in Verdacht, das Fortschreiten der Erkrankung zu intensivieren: Diese Gehirnzellen altern offenbar besonders rasch und scheinen als eine Art Keim zu dienen, aus dem sich später die Plaques außerhalb der Gehirnzellen bilden.

"Mit unseren Methoden könnten nun Biomarker identifiziert werden, mit deren Hilfe der Beginn der Ablagerungen in den Nervenzellen als frühestes Stadium der Erkrankung besser erkennbar wird", sagt Kumar. Noch nicht abgeklärt ist aber, ob sich die Ergebnisse aus dem Tiermodell tatsächlich auch auf den Menschen übertragen lassen. (red, derStandard.at, 28.3.2013)