Ein wenig erinnert der Tod Boris Beresowskis an die Sherlock-Holmes-Geschichte Der Dauerpatient. Der russische Exil-Oligarch wurde tot im von innen verschlossenen Badezimmer aufgefunden. Würgemale am Hals und ein abgerissener Stoffstreifen, der als Strick gedient haben soll, deuten auf einen Suizid durch Erhängen hin. Spuren eines Kampfes wurden nicht gefunden. Trotzdem schließt die Polizei Mord "nicht vollständig aus", wie Ermittler Mark Bissel erklärte.
Tatsächlich lassen sich noch nicht alle Indizien völlig logisch in diese Theorie einpassen: Gerichtsmediziner stellten so bei der Obduktion einen Rippenbruch bei Beresowski fest. Die Ursache der Verletzung ist offen. Einige Freunde glauben zudem nicht daran, dass der Geschäftsmann die Absicht hatte, sich umzubringen.
Einen Tag vor seinem Tod habe ihn Beresowski angerufen und ihn gebeten, für ihn eine Reise nach Israel zu buchen, erklärte der ebenfalls aus Moskau geflohene Ex-Aluminium-Magnat Michael Cherney. Beresowskis Reisepläne bestätigen auch andere Quellen.
Andererseits waren die Depressionen Beresowskis bekannt. Im letzten Interview bekannte der nach einem teuren Prozess gegen seinen einstigen Partner Roman Abramowitsch vor der Pleite stehende Ex-Milliardär, er habe nach seiner Flucht aus Russland den "Lebenssinn verloren". Der Kreml spricht zudem von einem Reuebrief Beresowskis, in dem er Präsident Wladimir Putin angeblich um Verzeihung und eine Rückkehr gebeten habe.
Vom Kreml ins Exil
Beresowski war einer der reichsten und mächtigsten Männer Russlands in den 1990er-Jahren - und einer der unbeliebtesten. Wie kein anderer verstand er es, Geld und Macht miteinander zu verweben. Er wurde als " graue Eminenz" im Kreml zum Inbegriff der Oligarchie in Russland. Als Einflüsterer von Boris Jelzin begünstigte er auch den Aufstieg von Putin zum Präsidenten.
Doch der erwies sich als machthungriger und weniger beeinflussbar, als Beresowski gedacht hatte. Die Streitigkeiten spitzten sich 2000, nach dem Untergang des Atom-U-Boots Kursk mit 118 Toten in der Barentsee, zu. Beresowski flüchtete nach London und wurde zum erbitterten Gegner Putins, während er in Moskau wegen Betrugs verurteilt wurde.
Der Einfluss des Milliardärs im Exil schwand. Eine echte Gefahr für den Kreml war er nicht. Trotzdem werden die Untersuchungen von Scotland Yard noch Wochen dauern. (André Ballin, DER STANDARD, 29.3.2013)