Medienkünstler Paolo Cirio bietet neuerdings Cayman-Islands-Identitäten zum Kauf an.

Foto: Paolo Cirio/Loophole

Wer hätte es nicht gerne - das Schlupfloch für die Steuer? Einen Briefkasten in einer Steueroase, um darüber abzurechnen? Das, was viele große Konzerne und superreiche Private tun, ist jetzt auch für den Normalverbraucher möglich. Wie? Durch einen Hacker, der das Firmenregister auf den Cayman Islands geknackt und 200.000 Identitäten gestohlen hat. Diese bietet er nun zum Kauf an, damit jeder von den Steuervorteilen der Cayman Islands profitieren kann. Klingt schön. Und hat für viel Wirbel gesorgt. Vor allem auf den Cayman Islands.

Auf Loophole4All.com wird erklärt, wie man in vier Schritten zur Cayman-Adresse kommt. Kostenpunkt: ab 99 US-Cent. Je nachdem, ob man auch Briefpapier wünscht oder Mail-Weiterleitung, steigen die Kosten auf bis zu 49,99 US-Dollar (knapp 40 Euro).

Was hier gut klingt, löst die individuellen Steuerprobleme freilich nicht. Denn hinter dem Hacker steckt Medienkünstler Paolo Cirio. Der Italiener ist bekannt dafür, mit gestohlenen Daten Kunst zu inszenieren. Die Anleitung zur Steuerflucht ist das aktuelle Projekt des 1979 geborenen Künstlers. Mit seinen kontroversiellen Arbeiten will Cirio aufrütteln. Und das gelingt ihm.

Donnell Dixon von der Cayman-Registrierungsbehörde hat bei Bekanntwerden des Daten-Verkaufs den Hacker-Angriff sofort zurückgewiesen. Laut Dixon seien zudem nicht 200.000 Unternehmen auf der Insel registriert, sondern lediglich 92.000.

Ein Mal Facebook und retour

Stehlen und hacken gehört zu Cirios Arbeit. Zuletzt hat der Künstler gemeinsam mit seinem Kollegen Alessandro Ludovico Facebook-Nutzern das Fürchten gelehrt. Die beiden haben eine Million Facebook-Nutzerprofile geklaut und 250.000 davon auf die selbst erstellte Dating-Website Lovely Faces gestellt. Es folgte internationales Medienecho und tausende Beschwerden. Eine Woche und eine Klage später wurde das Projekt vom Netz genommen.

Die beiden Künstler wollten mit der Aktion zeigen, wie leicht es ist, Daten von Facebook zu kopieren. Außerdem wollte man den Menschen einen Spiegel vorhalten und ihnen offenbaren, wie leichtfertig auf dieser Plattform Informationen geteilt werden.

"Für mich muss Kunst politisch sein. In meinen Projekten versuche ich auch jene Menschen zu erreichen, die sich nicht vordergründig für Kunst interessieren", hat Cirio seinen künstlerischen Zugang unlängst beschrieben. Und er setzt auf Themen - siehe Steuergerechtigkeit - mit denen sich auch Nichtkunstfans identifizieren können.

Cirios Ansätze sind teilweise hochkomplex. 2010 wollte er eine Art von Wohlfahrtsrückvergütung etablieren und ein neues Wirtschaftssystem einführen. Dafür verteilte er tausende Kreditkarten.

Seine Projekte haben dem Künstler bereits mehrere internationale Preise gebracht - und so manchem Unternehmen einen Schock. 2006 hat Cirio die digitalen Bücher von Amazon gehackt, gestohlen und gratis verteilt. (Bettina Pfluger, Album, DER STANDARD, 30./31.3., 1.4.2013)