Worte können Kriege verhindern. Je schneller eine entsprechende Botschaft die richtigen Akteure der Gegenseite erreicht, desto eher ist eine Deeskalation möglich. Zwischen den allerhöchsten Führungsetagen von Großmächten und Konfliktparteien führen daher direkte Leitungen, über die Missverständnisse ausgeräumt und ein friedliches Miteinander garantiert werden sollen.

Die beiden Atommächte Indien und Pakistan verfügen beispielsweise über einen heißen Draht, China und die USA ebenso, von Japan und China ist angesichts des Inselstreits einer geplant. Bis vor Kurzem gab es auch zwischen Nord- und Südkorea ähnliche Kommunikationskanäle, die wurden von Pjöngjang aber in den letzten Wochen gekappt. Wie wichtig solche Verbindungen sind, zeigt die Mutter aller heißen Drähte, die vor rund 50 Jahren eingerichtet wurde. Sie verläuft zwischen Weißem Haus und Kreml und bedient sich brauner Füchse und fauler Hunde.

Von der Kuba-Krise zum heißen Draht

Anlass für den heißen Draht zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion war die Kuba-Krise. Zur Erinnerung: Im Sommer 1962 entschlossen sich die Sowjets, auf Kuba heimlich Militärstationen mit Abschussrampen für nukleare Mittelstreckenraketen zu bauen. Dadurch wollte Moskau wieder ein strategisches Patt mit Washington erreichen, schließlich hatten die Vereinigten Staaten kurz zuvor nuklear bestückte Jupiter-Raketen in der Türkei stationiert. Also quasi vor der sowjetischen Haustür.

Als eigentliche Kuba-Krise werden schließlich die Tage zwischen 14. und 28. Oktober 1962 tituliert, in denen die Welt näher als je zuvor und je danach einem nuklearen Weltkrieg kam. Die USA, die die sowjetischen Militärbasen auf Kuba mittlerweile entdeckt hatten, beschlossen eine Seeblockade für die Karibikinsel. US-Präsident John F. Kennedy forderte zudem seinen sowjetischen Amtskollegen Nikita Chruschtschow zum Abzug aus Kuba auf und drohte bei einem Angriff auf die USA mit einem atomaren Gegenschlag.

Im Hintergrund bemühten sich die beiden Staatschefs, die Krise noch auf diplomatischem Weg zu lösen. Doch die damals sicherste Form der Kommunikation mittels Briefen benötigte ihre Zeit, eine kalmierende Botschaft Chruschtschows etwa erreichte Kennedy erst nach zwölf Stunden. Als sich die Staatschefs endlich auf einen Abzug aus Kuba bzw. der Türkei einigten, hatten sowjetische Schiffe und U-Boote bereits die US-Blockade erreicht. Ein sowjetisches U-Boot wurde mittels Granaten zum Auftauchen gezwungen und ein US-Flugzeug über Kuba abgeschossen, die Zeichen standen dort also schon längst auf Krieg. Um sicherzustellen, dass die Nachricht über die Einigung die sowjetischen Streitkräfte vor Ort rechtzeitig erreichte, verkündete Moskau die Botschaft schließlich über das Radio. Sämtliche anderen Kommunikationswege hätten zum Teil einen halben Tag oder länger benötigt.

Um in Zukunft Missverständnissen und in der Folge militärischen Konflikten vorzubeugen, einigten sich die USA und die Sowjetunion auf einen direkten Kommunikationsweg zwischen den Staatsführungen, der im Juni 1963 im "Memorandum of understanding regarding the establishment of a direct communication line" schriftlich festgelegt wurde. Dabei handelte es sich um eine Fernschreiberverbindung, die von Washington aus über London, Kopenhagen, Stockholm und Helsinki nach Moskau führte. Parallel dazu wurde als Backup auch eine Funkverbindung über die marokkanische Stadt Tanger installiert.

In Betrieb genommen wurde der heiße Draht am 30. August 1963. Washington schickte die Nachricht "The quick brown fox jumped over the lazy dog's back 1234567890" über den Atlantik, neben allen Ziffern also ein Pangramm, das sämtliche Buchstaben des Alphabets enthält. Moskau antwortete mit einer poetischen Beschreibung der untergehenden Sonne in Moskau. Dieser Vorgang wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten unzählige Male wiederholt, um sicherzugehen, dass alle Tasten beider Fernschreiber funktionieren.

Im Bild: Ein Fernschreiber, der in Washington für den heißen Draht mit Moskau verwendet wurde. (Foto: NSA)
Foto: NSA

Dem damaligen Stand der Technik entsprechend waren die Verbindungen alles andere als ausreichend geschützt. Ein dänischer Bulldozer nahe Kopenhagen kappte einmal unfreiwillig die Leitung, auch einem finnischen Farmer nahe Helsinki gelang dieses Kunststück. Und ein Feuer in einem Kabelschacht im 60 Kilometer von Washington entfernten Baltimore hinterließ ebenfalls zwei tote Enden. Doch zu wichtigen Zeitpunkten funktionierte der heiße Draht tadellos, etwa während des Sechs-Tage-Krieges 1967 im Nahen Osten, 1974 bei der türkischen Invasion im Norden Zyperns oder 1979 beim sowjetischen Einmarsch in Afghanistan.

Besser bekannt ist dieser heiße Draht übrigens als das "Rote Telefon". Bereits seit den 1950er Jahren waren Telefone auf diplomatischer Ebene weit verbreitet und als schnellstes Kommunikationsmittel etabliert. Es erschien daher nur logisch, dass die wohl wichtigste Verbindung der Welt ebenfalls aus den damals modernen Fernsprechgeräten bestand. Doch gab es sowohl im Kreml als auch im Weißen Haus Bedenken. In Krisenzeiten steht man oft unter Stress und Druck, wurde argumentiert, die Gefahr eines unüberlegten Kommentars sei dadurch größer als in ruhigen Zeiten. Schriftlich könne man eher die diplomatische Etikette einhalten. Bei einem Telefonat hätte es zudem auf beiden Seiten einer sofortigen Übersetzung bedurft, die die Wahrscheinlichkeit eines Übersetzungsfehlers erhöht hätte. Und nur ein minimal falscher Ton hätte in diesen Fällen weitreichende Konsequenzen gehabt.

Die etwas langsamere, aber dafür sicherere schriftliche Version des heißen Drahts wurde also in die Realität umgesetzt. Dies und weitere Details über die Verbindung mit Moskau blieben aber lange geheim, sodass sich in der Öffentlichkeit die Vorstellung eines roten Telefons durchsetzte, die in weiterer Folge in zahlreichen Filmen oder TV-Serien übernommen wurde. Jimmy Carter, US-Präsident von 1977 bis 1981, ließ sich deshalb sogar ein richtiges rotes Telefon anfertigen. Es sollte als ein Symbol der Macht dienen. Auch Hillary Clinton propagierte 2008 im Präsidentschaftswahlkampf der US-Demokraten den heißen Draht als Telefon, allerdings in einer weißen Version.

Im Bild: Ein rotes Telefon aus der Amtszeit Jimmy Carters, ausgestellt im Jimmy Carter Museum in Atlanta. Tatsächlich wurde es nie für die Hotline zwischen Washington und Moskau verwendet, sondern diente lediglich als Symbol der Macht. (Foto: Wikimedia Commons/Piotrus CC-Lizenz)
Foto: Wikimedia Commons/Piotrus [cc;2.0;by-sa]

Dass die Details über den heißen Draht ein lange gut gehütetes Geheimnis waren und das rote Telefon eine weit verbreitete Vorstellung, beweist eine Anekdote aus dem Jahr 1983. Innerhalb des US-Außenministeriums wurde der Vorschlag gemacht, Fernsprecheinrichtungen beim heißen Draht mit Moskau zu integrieren. Die meisten Mitarbeiter reagierten darauf überrascht, sie dachten, das gäbe es schon längst.

Natürlich wurde der heiße Draht immer wieder auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Ab 1971 ergänzte eine Satellitenverbindung die Fernschreiberverbindung, sie lief über zwei sowjetische und zwei amerikanische Satelliten. Die Tanger-Funkverbindung wurde dafür in den Ruhestand geschickt. 1983 schickte man auf Initiative des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan ein High-Speed-Faxgerät in den Testlauf. Fünf Jahre später ersetzte es die Fernschreiber.

Das letzte Upgrade erfolgte im Jahr 2008. Die Hotline zwischen Washington und Moskau besteht seitdem aus einem Computernetzwerk, das über zwei Satellitenfunkverbindungen und eine Glasfaserkabelverbindung als Backup läuft. Mittels E-Mails werden aktuelle Nachrichten ausgetauscht, über einen Chat administrative Dinge geklärt. Von Verbindungsproblemen ist nichts bekannt. (Kim Son Hoang, derStandard.at, 3.4.2013)