Vom 15. April an steht der Text eines "Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien" zur Unterschrift bereit. (www. kirchen-privilegien. at). Die Initiative wird von etlichen, recht namhaften Promis aus der Kunst- und Wissenschaftsszene unterstützt und hat einen ziemlich radikalen Grundton. Politische Unterstützung erfährt sie von den Grünen, die ausdrücklich für die Aufhebung des Konkordatsvertrags mit dem Vatikan sind, und von Teilen der wieder aufgetauchten Liberalen (was an die Betonung von Themen wie "Weg mit den Kruzifixen aus den Schulen" von Heide Schmidt erinnert).

Etliche Behauptungen der Initiatoren, die finanziellen Begünstigungen der Kirche betreffend, sind schlicht und einfach falsch oder tendenziös dargestellt. Eine Hauptforderung lautet: Die "Steuerbefreiung der Kirche" müsse fallen. Erst wenn man weiterklickt, kommt heraus, dass die Kirche etwa von der Grundsteuer nur insoweit befreit ist, als es Gebäude für Gottesdienst, Seelsorge und die damit zusammenhängende Verwaltung betrifft. Der sehr große Grundbesitz, der wirtschaftlich genutzt wird, ist normal besteuert. Ähnlich fragwürdige Argumentation findet sich auch bei anderen Themen, das kirchliche Portal www.katholisch.at bringt hier einen Faktencheck.

Ominös klingt die Forderung: "Das Kirchenvermögen ist aber eine - großteils ererbte - Wirtschafts- und Kulturleistung aller ÖsterreicherInnen. Es sollte für Österreich bewahrt und zugänglich gemacht werden." Also verstaatlicht? Und jedem Österreicher ein " Kirchen-Enteignungs-Hunderter" auf die Hand?

Das Volksbegehren scheint weniger von liberalem, aufklärerischen Denken als von antiklerikalem Ressentiment getragen zu sein. Trotzdem muss es möglich sein, die - immer noch starke - gesellschaftliche Position der Kirche (der Religionsgemeinschaften überhaupt) infrage zu stellen.

Religion sei Privatsache, sagen die Initiatoren des Begehrens. Mag sein, aber das übersieht, dass der Staat große und immer größere Aufgabenbereiche an private Nichtregierungsorganisationen auslagert, die er teils subventioniert, teils nicht. Ohne diese Arbeitsteilung wäre sehr vieles im sozialen und im Bildungsbereich einfach nicht leistbar - oder viel teurer, weil vieles über Ehrenämter geschieht. Die Kirche ist eine riesige NGO.

Nebenbei bemerkt, bedient sich der Staat auch anderer Groß-NGOs wie etwa der Arbeiterkammer, die allerdings mit Zwangsbeiträgen. Sie und die anderen Kammern stehen im Verfassungsrang, haben also ein Vertretungsmonopol. Keine Privilegien?

Die Kirchen sind geistig-kulturelle-soziale Leistungszentren. Über ihre schweren Defizite (Missbrauch) sind sich alle im Klaren. Aber davor sind auch staatliche Institutionen nicht gefeit.

Wenn der Staat den Kirchen jede Unterstützung ("Privilegien") entzieht, dann muss er ihre Aufgaben selbst übernehmen. Ist übrigens schon versucht worden - im Kommunismus, großteils im Nationalsozialismus und Faschismus. Und der demokratische Staat? Er wäre damit heillos überfordert - allein mit der Denkmalpflege. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 30./31.3.2013)