Frankfurt am Main - Schön langsam kommt auch wettermäßig der Frühling in Schwung. – Was die meisten Menschen nach diesem langen Winter kaum erwarten können, treibt Pollenallergikern die Tränen in die Augen. Mit steigenden Temperaturen entlassen die ersten Bäume, allen voran Hasel und Erle, ihre Pollen in die laue Luft.

Besonders das Beifußblättrige Traubenkraut - wie Ambrosia artemisiifolia umgangssprachlich genannt wird - stellt aufgrund seiner hohen allergischen Potenz und seiner rasanten Ausbreitung ein zunehmend großes Gesundheitsproblem dar. "Mittlerweile reagieren bis zu 20 Prozent der Pollenallergiker mit starken Heuschnupfensymptomen, und viele entwickeln sogar Asthma", sagt Allergologe Reinhart Jarisch vom Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien.

Diese hochallergene Pflanze stammt aus Nordamerika, wurde im 19. Jahrhundert in Europa eingeschleppt und hat sich seitdem vor allem in Südosteuropa etabliert. In der letzten Zeit taucht sie auch zunehmend in Mittel- und Nordeuropa auf. Sarah Cunze und Marion Leiblein vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) in Frankfurt sowie Oliver Tackenberg von der Goethe-Universität Frankfurt, haben nun den Einfluss des Klimawandels auf die Ausbreitung dieses aggressiven Einwanderers untersucht.

Europaweit hohe Kosten durch Ambrosia-Allergien

Faktoren, die die Ausbreitung in nördlichere Regionen Europas begünstigen, sind laut Angabe der Experten einerseits mit Ambrosia-Samen kontaminiertes Saatgut und Vogelfutter aus Südosteuropa, und andererseits die durch die globale Erwärmung verlängerte Vegetationsperiode und erhöhte Durchschnittstemperaturen. Beides ermöglicht es der Pflanze, sich in neuen Regionen anzusiedeln.

Ambrosia artemisiifolia ist aufgrund der allergenen Pollen eine medizinisch relevante Pflanze, die laut DAISIE (Delivering Alien Invasive Species In Europe) zu den 100 invasiven Arten zählt. Alleine in Ungarn belaufen sich die durch Ambrosia-Allergien verursachten Kosten auf 143 Millionen Euro jährlich. In Deutschland wird zur Behandlung von Ambrosia-Allergikern mit künftigen Mehrkosten zwischen 193 Millionenen und 1,19 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet. Besonders ärgerlich für Allergiker ist, dass die aggressive Ambrosie ihre Hauptblütezeit sehr spät im Jahr hat und so den Beschwerdezeitraum für Allergiker um bis zu zwei Monate verlängert. 

Prognose durch Nischenmodellierung

Das Frankfurter Forscherteam hat nun mittels der Methode der ökologischen Nischenmodellierung gezeigt, dass Ambrosia artemisiifolia stark vom Klimawandel profitieren wird, denn dieser erhöht das invasive Potential der Pflanze. Mit ökologischen Nischenmodellen lässt sich, basierend auf Umweltvariablen und bisherigen Fundpunkten, der Zusammenhang zwischen Umweltbedingungen und dem Artvorkommen statistisch ermitteln.

Sind die Bedingungen einmal bekannt, unter welchen eine Art auftritt, so lassen sie sich auch auf andere Untersuchungsgebiete projizieren und man erhält Karten der potentiellen Verbreitung (Vorkommenswahrscheinlichkeiten) der Art. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass sich durch die zusätzliche Berücksichtigung von Modellen über potentielle zukünftige Klimabedingungen (z. B. die durch den Weltklimarat IPCC verwendeten Szenarien), die zukünftige Verbreitung modellieren lässt.

Klimawandel verdoppelt Ambrosia-Areal

Datengrundlage der Berechnungen von Sarah Cunze und ihren Kollegen sind Erhebungen des heutigen Vorkommens der Beifuß-Ambrosie in Europa und Nordamerika. Die Ergebnisse der Modellierungen zeigen nun die potentiell von Ambrosia gefährdeten Gebiete auf. Diese dürften sich in den nächsten Jahrzehnten nach Norden beziehungsweise Nordosten verschieben. "In den südlichen Bereichen ihres heutigen Verbreitungsgebiets sagt das Modell das Verschwinden der Beifußambrosie in einigen Jahrzehnten voraus“, kommentiert die Umweltwissenschaftlerin Sarah Cunze die Prognose.

"Allerdings wird sie wahrscheinlich in einem viel größeren Gebiet neu auftreten. Hierzu zählen weite Teile Frankreichs und Deutschlands, die Benelux-Staaten, Tschechien, Polen, die baltischen Staaten, Weißrussland und große Teile Russlands", so die Expertin. Oliver Tackenberg, Spezialist für die Ausbreitung von Pflanzen, ergänzt: "Da Ambrosia artemisiifolia sich überwiegend durch menschliche Aktivitäten verbreitet, erreicht sie neue Gebiete viel schneller als andere Arten, denen nur ihre natürlichen Ausbreitungsmechanismen zur Verfügung stehen". 

Für die Allergiker in den Regionen, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten von der Ambrosia-Invasion betroffen sind, ist das keine gute Nachricht. Die Ergebnisse der Studie sollen aber als Grundlage für die Planung von Maßnahmen dienen, mit denen die Invasion vielleicht doch eingedämmt werden kann: "In den gefährdeten Regionen sollte frühzeitig ein System zur Überwachung der Ambrosia-Einwanderung aufgebaut werden. Bei Bedarf könnten dann rechtzeitig Bekämpfungsmaßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass sich Ambrosia artemisiifolia großflächig etabliert“, so Sarah Cunze (red, derStandard.at, 29.3.2013)