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In Österreich stellte der Verfassungsgerichtshof in mehreren Sprüchen fest, dass "stilles" Betteln ein Menschenrecht ist.

Foto: AP/Frank Augstein

Ob sich damit bereits angekündigt hat, welcher Art Input im anlaufenden Nationalratswahlkamp von Heinz-Christian Strache und seinen ParteigängerInnen zu erwarten ist, bleibt vorerst unklar. Doch diese Woche hat sich die FPÖ dem Thema Betteln gewidmet - und zwar gleich doppelt.

In Wien forderte der blaue Klubchef Johann Gudenus Bettelverbotszonen, und zwar in Einkaufstraßen (wo BettlerInnen wohl die größten Chancen auf Einkünfte haben), vor Schulen und Kindergärten: Der "Bettlermafia" müsse Einhalt geboten werden, sagte er unter Verwendung jenes Begriffs, der das Bitten um Geld in die Nähe organisierter Kriminalität rückt.

Die Wiener Bettelverbotszonen, so kurz danach FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, sollten nur ein erster Schritt sein, dem ein österreichweites, strafrechtliches Bettelverbot zu folgen habe. Für Letzteres gelte es Druck zu machen, wenn wir, so Vilimsky, "ein rechtliches Vehikel dafür finden".

Betteln als Menschenrecht

Nun dürfte ein solches rechtliches Transportmittel in Österreich schwer aufzutreiben sein, denn hierzulande folgt man den Sprüchen des Verfassungsgerichtshofes. Dieser hat seit 2011 mehrmals über Bettelverbote in den Bundesländern entschieden, zuletzt, im heurigen Jänner, hat er jenes in der Steiermark aufgehoben: Weil  niemanden verwehrt werden dürfe, in der Öffentlichkeit um Geld oder sonstige Hilfe zu bitten - wenn er oder sie es "still", also nicht aggressiv tut oder keine Abhängigen, etwa Kinder, dafür missbraucht. Weil "stilles" Betteln ein Menschenrecht ist.

Zwar eröffnet dieser Befund einen Interpretationsspielraum: Welche Art Betteln ist "still", wann beginnt die Aggresssion? Und wie groß ist die Chance, dass sich ein/e BettlerIn im echten Leben dagegen zur Wehr setzen kann, fälschlich als aggressiv bezeichnet zu werden? Viel Handlungsspielraum haben Menschen nicht, die zu Verwaltungsstrafen verdonnert werden, welche ihre finanziellen Möglichkeiten massiv überschreiten. Da kann es bald zu Ersatzfreiheitsstrafen kommen.

Die Rechtsmeinung jedoch, dass "stilles" Betteln erlaubt ist, gilt überall im Land. Damit dürfte, neben Vilimskys Verbotsplänen, wohl auch Gudenus' Bettelverbotszonenidee in den politischen Orkus wandern. Hoffentlich, denn der gesellschaftliche Gestaltungswille, der sich in derlei Überlegungen ausdrückt, ist höchst gefährlich: Im heutigen Mitteleuropa steht Derartiges nämlich keineswegs allein auf weiter Flur.

Bei Obdachlosigkeit Strafe

Vielmehr ist derlei Politik im Nachbarland Ungarn aufgrund der dortigen absoluten Mehrheit der nationalkonservativen Fidesz-Fraktion sogar bestimmend - samt bedenklicher Folgen für die Wirksamkeit der in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrieften Menschenrechten.

Konkret hat die ungarische Regierung unlängst zum zweiten Mal ein Gesetz eingeführt, das Obdachlosigkeit zu einer Straftat erklärt. Wer im öffentlichen Raum übernachtet, kann sanktioniert werden. Unmittelbar darauf wurde im Budapester Parlament eine Verfassungsnovelle beschlossen, die den ungarischen Verfassungsgerichtshof substanziell entmachtet: dasselbe Höchstgericht, das den ersten ungarischen Anlauf zur Obdachlosenbestrafung im Jahr 2012 außer Kraft gesetzt hatte.

Und zwar wurde dem magyarischen Höchstgericht per Gesetz verboten, inhaltlich über Verfassungsbestimmungen zu befinden, wohl auch, um ein neuerliches Kippen des Antiobachlosengesetzes zu verhindern: Denn gleichzeitig wurden die Bestimmungen über den Umgang mit Obdachlosen in den Verfassungsrang erhoben: eine rechtliche Falle, mit deren Hilfe verfassungsrechtliche Kontrolle beim Umgang mit sichtbarer Armut ausgehobelt wurde.

Gleichen Geistes Kind

In Österreich sind wir von derlei Entwicklungen weit entfernt, die politischen Mehrheiten sind anders und die Diskussionskultur ist weit reger als im Nachbarstaat. Doch Vorschläge für ein strafrechtliches Bettelverbot sind im Grunde des gleichen Geistes Kind wie die magyarische Obdachlosensanktion. Auch ihre möglichen Folgen sind vergleichbar: Arme werden bestraft, nur weil sie arm sind und sichtbar - wobei bei einem strafrechtlichen Bettelverbot, wie es in Österreich offenbar der FPÖ vorschwebt, als Motiv auch noch Antizganismus hinzukäme: Die, die man damit bekämpft, sind großteils Roma aus Rumänien, Bulgarien und der Slowakei.

Das Gemeinsame jedoch ist, dass sich derlei Maßnahmen oder Vorschläge über Menschen- und Verfassungsrecht hinwegsetzen. Vielleicht ist das ein Punkt, dem im beginnenden Nationalratswahlkampf der FPÖ noch einige Bedeutung zukommt. (Irene Brickner, derStandard.at, 30.3.2013)