Adi Übleis ist zwar 75, aber noch im Unruhestand.

Foto: Lützow

Pfaffstätten - Nein, Herta Übleis will nicht mit auf das Foto. "Geh Herta", drängt Adi Übleis - aber nur verhalten. Er weiß, dass er in diesem Fall auf verlorenem Posten sitzt, beim "Heurigen zum Goaßbuam" in Pfaffstätten, wo die Übleis aus dem benachbarten Baden hin und wieder einkehren, wenn eben ausg'steckt ist. Die Traberlegende Adolf "Adi" Übleis (75) war es jahrzehntelang gewohnt zu lenken. Aber daheim, sagt das Gefühl, hat Herta, die ihm seit bald 46 Jahren Angetraute, viel gelenkt - in die richtigen Bahnen.

Ohne ihren Rückhalt hätte er vielleicht nicht die mehr als 3500 Rennen gewonnen, würde er vielleicht nicht in einem Atemzug genannt mit Traberlegenden wie dem Deutschen Johannes "Hänschen" Frömming (fast 5600 Siege) oder Heinz Wewering, dem gar an die 16.500 Triumphe zugeschrieben werden. "Aber die hatten auch viel mehr Rennen", sagt Adi Übleis, kurz vom Grillkotelett ablassend.

Alles wohlbestallt

Keinesfalls ohne Herta (die Hühnerschnitzel isst und es gottlob erfolgreich empfohlen hat) wären die drei Kinder so gut geraten, wäre der Aufbau des Trabergestüts in Leobersdorf gelungen, das seit Adi Übleis' Pensionierung Tochter Conny zu aller Zufriedenheit führt.

Wobei, Pension ist relativ. Übleis sitzt nur nicht mehr im Sulky, aber trainiert noch Pferde und führt als Vizepräsident der anderweitig gut beschäftigten Ex-Kanzlers-Ex-Gattin Sonja Klima die Geschäfte beim Badener Trabrennverein, dessen 120. Rennsaison am 29. Juni anhebt. Das ist kein Honiglecken, denn der elegante Sport darbt. "Einerseits liegt das am rückläufigen Wettaufkommen, es gibt zu viel Konkurrenz durch andere Wetten", sagt Übleis. Nur noch in Frankreich, Italien, Finnland und Skandinavien, vor allem in Schweden, nährt das Traben eine größere Zahl von hauptamtlichen Trainern und Fahrern. "Bei uns können höchstens noch zehn davon leben. Aber es fehlen auch die Zugpferde." Das ist also das Andererseits.

Schon meint Übleis vor allem die zweibeinigen Zugpferde, also Leute wie ihn selbst, den vor mehr als fünf Jahren, an seinem 70. Geburtstag, eine Regelung der europäischen Traberunion, die über 70-Jährigen den Rennsport verbot, aus dem Sulky zwang. Mittlerweile dürfte er wieder - eine Entscheidung des deutschen Obersten Gerichtshofes. "Und das ist richtig so, denn wenn ich Auto fahren kann oder gar mit einem Lastwagen wie ich, dann sollte ich auch Trabrennen fahren dürfen. Aber jetzt will ich nicht mehr." Herta nickt zufrieden und beruhigt Bärli, den West Highland White Terrier unter dem Tisch. Adi Übleis wirkt zwar fit, gesund ist er aber nicht. Im Vorjahr hatte er einen Herzinfarkt, er leidet an Herzrhythmusstörungen, eine exakte Diagnose steht aus.

Genau zu diagnostizieren war nach dem jüngsten Missgeschick die bis auf den Knochen reichende Rissquetschwunde am linken Unterschenkel. Ein Pferd hat Adi Übleis fast die Wade heruntergetreten, "aber es kann nichts dafür, ich habe nicht aufgepasst. Das Pferd ist nie schuld."

Die Pferde waren sein Leben, sind es noch. Nicht nur seine zahllosen Champions mit so schönen Namen wie Big Ben, Vulkan, Action Francaise oder Mick Dundee, sondern auch jene im Gestüt, Höchststand 45, darunter 19 Mutterstuten, wie Herta präzisiert.

Das mit den Pferden war Übleis vorgezeichnet. Oder auch nicht. Geboren wird er in Wels, er hat neun Geschwister, und der Vater, ein Fuhrunternehmer, hat 40 Pferde, vorwiegend zur Ausfuhr von Milch. Die Motorisierung ist aber unumgänglich, Adolf lernt Automechaniker bei einer Mercedes-Niederlassung, ist talentiert und einschlägig engagiert. " Die Pferde haben mich nicht interessiert." Dennoch folgt er seinem Vater und bestreitet als Amateur Trabrennen auf der Welser Bahn, "mit 17 Jahren, und ich war sehr erfolgreich".

Die Wiener Krätzen

Adi Übleis wird vom Fleck weg als Trainer engagiert, wechselt aber 1964, wegen wirtschaftlicher Probleme der Welser, nach Wien in die Krieau. "Am Anfang war es schwer mit den Wiener Krätzen, aber ich habe von einem Generationswechsel profitiert." In Baden lernt er Herta kennen. Sie war schon als Kind oft an der Bahn. 1967 wird geheiratet.

Adi Übleis fährt pro Tag oft 150 Kilometer im Sulky, wird immer erfolgreicher. 1970 gewinnt er mit 105 Siegen das erste von neun Championaten und mit Big Ben das erste von vier Derbys. Er vertritt Österreich bei der EM in Recklinghausen, gewinnt überraschend. Er wird neben einem Norweger, Italiener und Franzosen europäischer Vertreter bei der WM in den USA, wo Lokalmatador Billy Haughton, ein Kanadier, ein Neuseeländer und ein Australier warten.

Einquartiert werden die Europäer im Waldorf Astoria. Adi Übleis, mit 32 der Jüngste, getraut sich nicht im Hotel zu speisen, verköstigt sich in einer nahen Schwemme. "Erst dann habe ich erfahren, dass alles bezahlt wird, auch das Essen, alles. Da war viel Geld drinnen." Wie viel hat Adi Übleis nie genau erfahren.

Schon zum Auftakt, auf dem inzwischen nicht mehr existierenden Roosevelt Raceway in Westbury, New York, gewinnt der Österreicher alle drei Rennen, ebenso auf der zweiten Station, in Saratoga Springs. Adi Übleis beherrscht die Konkurrenz auf stets ausverkauften Bahnen, führt nach neun Siegen in 17 Rennen auf fünf Bahnen überlegen vor Haughton, der die Erfolge des Jünglings noch als Zufallstreffer abgetan hatte. Aber Adi Übleis gewinnt mit Außenseitern ebenso wie mit Favoriten, in unterschiedlichsten Stilen. Die Konkurrenz, auch Haughton, gesteht ihm Talent zu, und dass ihn die Pferde verstehen, obwohl die nicht an deutsche Kommandos gewöhnt sind. Nach 34 Rennen auf neun nordamerikanischen Bahnen ist Adi Übleis Weltmeister und Haughton davon überzeugt, "dass ich den Burschen engagieren sollte". Der Bursche genießt die Aufmerksamkeit. Amerika, sagt Adi Übleis, wäre eine Möglichkeit gewesen. Es gab ein lukratives Angebot, aber er und Herta haben anders entschieden. Zum Wohle der Familie, letztlich zum Wohle auch der Badener Bahn, die ohne Adi Übleis vielleicht nicht mehr wäre.

Diese Insitution hat weit Schlimmeres überlebt als etwa die kurzzeitige Präsidentschaft Frank Stronachs, den Adi Übleis nach all den Jahren in einem milderen Licht sieht. Stronach habe zumindest investiert, wenn auch zu viel in falsche Berater. "Schade drum", sagt Adi Übleis. Und Hertha nickt mit ernster Miene, draußen, beim "Goaßbuam" in Pfaffstätten. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 2.4.2013)