Bild nicht mehr verfügbar.

Elba Esther Gordillo wurde als Gewerkschaftschefin Millionärin - und dann doch verhaftet.

Foto: AP

Es gibt sie auch in Lateinamerika, die Tellerwäscher-Karrieren, in denen es pfiffige Unternehmer zum Millionär gebracht haben. Der schnellste Weg zum Reichtum führt aber über andere Berufszweige: Politiker, Gewerkschafter und Prediger sind die aussichtsreichsten.

"Ein armer Politiker ist ein ärmlicher Politiker", lautet ein geflügeltes Wort in Mexiko. Es trifft auf ganz Lateinamerika zu. Der Fantasie der Selbstbereicherung sind kaum Grenzen gesetzt. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner hat ihr Vermögen in sieben Jahren verzehnfacht - mit merkwürdig vorteilhaften Immobiliengeschäften und Finanz- und Devisenspekulationen.

Mexikos Gouverneure pflegen ihren Bundesstaat zu verschulden und das Geld mittels überteuerter Bauvorhaben auf die Konten von Strohmännern zu schaufeln. Berühmt wurde auch der Bruder des Ex-Präsidenten Carlos Salinas, Raúl, alias "Mister zehn Prozent" - der Betrag, den er für die Vermittlung öffentlicher Aufträge kassierte. Panama ist einer Studie des Politologen Manuel Alcántara der Uni Salamanca zufolge Spitzenreiter im Nepotismus. Zwei von drei Politikern haben dort Angehörige in der Staatsverwaltung untergebracht. In Klatschblättern und sozialen Netzwerken zeigt die Zunft ungeniert Villen, Schmuck und Fotos von Luxusreisen.

In Brasilien sind auch Kirchen sehr gewinnträchtig - und unbürokratischer zu gründen sowie steuerlich lukrativer als Firmen. Einer der reichsten Brasilianer ist Edir Macedo, Gründer der evangelikalen Igreja Universal do Reino de Deus. Der Multimillionär verfügt laut Forbes über umgerechnet 740 Millionen Euro. Drei weitere brasilianische Pastoren besitzen demnach ebenfalls dreistellige Millionensummen, darunter Silas Malafaia, Gründer der Asambleia de Deus, deren Tempel an jeder Straßenecke zu finden sind.

Mit schmissiger Musik, aggressivem Marketing und suggestiven Versprechen von Wunderheilungen und Erfolg haben evangelikale Kirchen den Katholiken in den vergangenen Jahren fast ein Fünftel der Gläubigen abspenstig gemacht. Kassiert wird mehrmals pro Gottesdienst. Die Prediger verlangen Scheine - und akzeptieren auch Kreditkarten.

Prediger mit Diplomatenpass

Malafaia besitzt laut Forbes umgerechnet fast 120 Millionen Euro, protzt gerne mit diamantbesetzten Goldringen und fliegt im Privatjet zu seiner Villa nach Florida. Sogar einen Diplomatenpass bekommen Pastoren. Religion, Geschäft und Politik sind eng verflochten in Brasilien. Die " evangelikale Fraktion" im Kongress hat rund 25 Mitglieder und ist so einflussreich, dass alle traditionellen Parteien um ihre Unterstützung buhlen.

In Mexiko sind Posten an der Gewerkschaftsspitze besonders begehrt. Die hat man in der Regel lebenslang. Sie garantieren einen Strom von Mitgliedsbeiträgen und der Familie staatliche Posten. Carlos Romero Deschamps, Chef der Gewerkschaft der staatlichen Erdölgesellschaft Pemex, erhält offiziell 1400 Euro im Monat und schenkte seinem Sohn unlängst einen Ferrari. Seiner Tochter finanziert er teure Reisen.

Auf das Konto der Lehrer-Gewerkschaftführerin Elba Esther Gordillo flossen bei ähnlichem Gehalt jeden Monat Beiträge in Höhe zweistelliger Millionenbeträge. Davon finanzierte sie Schönheits-OPs, Designerware, ein eigenes Flugzeug und Villen in den USA, belohnte aber auch Loyalität: Auf einem Gewerkschaftskongress schenkte sie allen 59 Regionalsekretären ein Hummer-Fahrzeug. Seit rund 20 Jahren sind Deschamps und Gordillo im Amt - bei staatlicher Duldung. Der Deal: Der meistbietende Politiker erhält im Wahlkampf Stimmen und logistische Unterstützung der Gewerkschaftsmitglieder - im Tausch für Unantastbarkeit. So avancierte Deschamps nicht nur zum Millionär, sondern auch zum Senator; Gordillo gründete eine Partei und brachte Kinder und Schwiegersöhne im Bildungsministerium, in der Lotterie und in der Sozialversicherung unter.

Aufsehenerregende Prozesse

Die Wege zum Reichtum haben aber Falltüren. Politiker können nicht mehr mit Straffreiheit rechnen, wie Korruptionsprozesse gegen den costa-ricanischen Ex-Präsidenten Miguel Angel Rodríguez, gegen die Spitze der Arbeiterpartei PT in Brasilien oder gegen Raúl Salinas gezeigt haben. Auch die Bastion der Prediger und Gewerkschafter bleibt nicht unangetastet. Gegen Macedo laufen Verfahren. Gewerkschaftsführerin Gordillo wurde inzwischen auch verhaftet wegen ungerechtfertigter Bereicherung und organisierter Kriminalität. Beobachter vermuten, dass Gordillo in Ungnade fiel, habe weniger mit einer Transparenzoffensive der Regierung zu tun als mit der Bildungsreform. Gordillo missfiel diese; insbesondere, dass Lehrerposten nicht mehr vererbbar sind und sich alle Lehrer einer Qualitätsprüfung unterziehen müssen. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 2.4.2013)