Es war ein Rennen um den prominenteren Auftritt. Die ÖVP hatte für Dienstagvormittag eine Klausur ihres Regierungsteams angesetzt, um ihre Ideen für eine Wohnbauoffensive anzupreisen, da lud die SPÖ prompt zu einer Gegenveranstaltung. Zwei Stunden nach dem Koalitionspartner warteten die Sozialdemokraten mit den eigenen Vorschlägen auf – nicht ohne im Leibblatt Kronen Zeitung vorab einen Extraauftritt hinzulegen.

Ein Wettrüsten lieferten sich die Koalitionäre auch punkto Aufputz. ÖVP-Chef Michael Spindel egger bot neben Josef Schmidinger von der S-Bausparkasse und Andreas Zakostelsky vom Fachverband der Pensionskassen Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess auf. Reminiszenzen an Schwarz-Blau wies die heutige Wüstenrot-Generaldirektorin jedoch barsch ab. Die Frage nach einem politischen Comeback beleidige fast ihre Intelligenz, sagte Riess, eine Rückkehr sei ausgeschlossen.

SPÖ-Chef Werner Faymann hingegen ließ sich von allen roten Landeshauptleuten umringen – erstmals in der Geschichte sind es fünf. Die Langzeitamtsinhaber durften vorrechnen, wie viel sie jetzt schon für Wohnbauförderung ausgeben, Neokollege Peter Kaiser aus Kärnten beklagte Versäumnisse der blauen Vorgänger.

Süffisante Sticheleien

Als "Frühlingserwachen" qualifizierte Spindelegger süffisant den Konter der SPÖ. Doch abgesehen von den wahlkampftypischen Sticheleien sind sich die Regierungsparteien in Sachen Diagnose und Lösung im Groben einig. Beide konstatieren, dass Wohnen vielfach zu teuer geworden sei, beide wollen als Gegenmaßnahmen in erster Linie das Angebot der verfügbaren Wohnungen erhöhen.

Das identische Ziel: Die SPÖ will 5000 bis 10.000 geförderte Wohnungen zusätzlich pro Jahr, die ÖVP legt sich gleich auf 10.000 fest. Laut der Daten des Wirtschaftsministeriums gilt es, eine Lücke aufzufüllen. Der Neubau von geförderten Eigentumswohnungen ist demnach von 2009 bis 2011 um 21 Prozent zurückgegangen, beim Mietwohnungsbau beträgt der Rückgang gar 36 Prozent.

Eigentum gegen Miete

Gleichzeitig wächst nicht nur die Bevölkerung der Ballungszentren, sondern auch die Zahl der Einpersonenhaushalte, laut Prognose um 17,4 Prozent bis 2030. Das erhöht den Bedarf. Pro Jahr fehlten 7000 geförderte Wohnungen, rechnet Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner vor.

In welche Wohnungen konkret investiert werden soll, scheidet freilich die koalitionären Geister. Er wolle kein Land des Volkseigentums, sagt Vizekanzler Spindelegger, sondern ein Volk der Eigentümer. Soll heißen: Die ÖVP will in erster Linie eine Offensive, die den Kauf von Eigentumswohnungen ermöglicht. "Das ist nicht das, was wir brauchen", erwidert der steirische Landeshauptmann Franz Voves. Zuallererst gehe es um mehr Wohnungen für die "sozial Schwächsten". Die SPÖ beruft sich auf Wifo-Daten, wonach die Mieten privater Wohnungen seit 2005 um knapp 28 Prozent und damit stärker als die Inflation (13 Prozent) gestiegen seien.

Die Bewohner der Gemeindebauten stehen auch im Zentrum einer anderen Diskrepanz. Der ÖVP ist es ein Dorn im Auge, dass dort auch Gutverdiener von den günstigen, subventionierten Mieten profitieren, während Wohnungssuchende in Wien bis zu drei Jahre warteten. Wer also die für den Einzug geltenden Einkommensgrenzen überschreitet, solle marktübliche Mieten zahlen, die Wohnung kaufen oder eben ausziehen. Eine Partei, die soziale Gerechtigkeit auf ihre Fahnen schreibe, meint Spindelegger, könne diese Idee nicht abschmettern.

Soziale Sprengkraft

Die SPÖ tut es doch. Die soziale Durchmischung sei in Gefahr, wenn Wohlhabende nicht mehr im Gemeindebau wohnen dürften, warnt Faymann: "Das sind keine Armenhäuser." Aber gilt dieser Einwand auch, wenn die Leute nicht ausziehen, sondern nur höhere Mieten zahlen müssen? Ja, meint der Kanzler. In Berlin habe sich gezeigt, dass potenzielle Aufsteiger dann gleich gar nicht einziehen wollten.

Dass er sich in dieser Frage durchsetzt, glaubt Spindelegger selbst nicht wirklich: "Ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass sich die SPÖ bewegt." Das Gleiche gilt umgekehrt für die Idee der Sozialdemokraten, dass künftig die Vermieter die Maklergebühren zahlen sollen. Kommt nicht infrage, sagt Mitterlehner: Diese Nadelstiche könne sich die SPÖ sparen.

Überschneidungen gibt es bei der Frage der Finanzierung. Faymann will, dass die Wohnbauförderung ab sofort wirklich nur mehr für diesen Zweck eingesetzt werden darf. Auch Spindelegger ist prinzipiell dafür, doch VP-Landeschefs melden Einspruch an.

Für die Wohnbauoffensive brauchte es aber ohnehin zusätzliches Geld. Die SPÖ kann sich mit der ÖVP-Idee anfreunden, dass Pensions- und Vorsorgekassen zehn Prozent ihres Kapitals in den Wohnbau investieren dürfen. Faymann verheißt Taten noch vor der Wahl im Herbst: "Die Menschen wollen keinen langen Wahlkampf, sondern lange Arbeit." (Gerald John, DER STANDARD, 3.4.2013)