Die Bilder von Angela Merkel mit Hitlerbärtchen und SS-Uniform, die in Zypern, Griechenland und einigen anderen Südländern der EU bei Demos hochgehalten werden, stimmen traurig, wütend und äußerst unbehaglich. Sie zeigen, dass Dummheit und Demagogie im heutigen Europa so weit verbreitet sind, dass man um den Zusammenhalt der Gemeinschaft fürchten muss.

Die Theorie, dass Deutschland durch sein Bestehen auf einer seriösen Verschuldungspolitik im Gegenzug für Milliardenhilfen die südlichen Staaten ruiniert hätte, ist Quatsch. Dass Merkel-Land dies getan hätte, weil es eine Art "Viertes Reich" über Europa errichten wolle, ist idiotisch und gefährlich zugleich. Die Flucht retrolinker und retro-rechter Demagogen in das antideutsche Ressentiment zeigt aber auch, dass sehr viele nicht begriffen haben, was der eigene Anteil am eigenen Unglück ist.

In Österreich kann man heute das Thema "Deutschland als Führungsmacht in Europa" sozusagen mit innerer Freiheit beurteilen. Wir haben eine lange, komplizierte Geschichte mit Deutschland. Auch noch nach 1945 versuchten uns die Deutschen zu vereinnahmen, und manche bei uns ließen das gerne geschehen. Inzwischen ist  die österreichische Eigenständigkeit längst kein Thema mehr. Heute bekennen sich ein paar Schmissträger in der FPÖ zur "deutschen Volksgemeinschaft", die ganz große Mehrheit glaubt an die österreichische Eigenständigkeit  als Erfolgsgeschichte.

Vor allem aber ist jedem halbwegs Vernünftigen in Österreich klar, dass Deutschland längst nicht mehr das alte schreckliche Deutschland des "General Dr. von Staat" (Thomas Mann) ist. Sondern eine funktionierende demokratische Gesellschaft, ein liberales Gemeinwesen, dessen mainstream trotz Neonazis mit der alten Nazi-Seuche nichts mehr zu tun haben will.

Deutschland hat - beginnend mit dem Sozialdemokraten Gerd Schröder - seine Wirtschaft mit Reformen wettbewerbsfähig erhalten. Unter Angela Merkel hat es die Narreteien und (Selbst-)Betrügereien meist linker Populisten in den Südländern (zu) lange toleriert und finanziert. Aber Berlin hat, wie die Süddeutsche schreibt, "weder Griechen noch Italiener oder Franzosen gezwungen, ihre Länder nicht zu reformieren".

Ja, die Sparpolitik trifft viele Griechen und Italiener hart. Ja, der Euro verleitete wenig wettbewerbsfähige Länder dazu, einen Pseudo-Boom mit billigem Geld zu finanzieren. Aber nur die Griechen und Italiener, nicht die Deutschen haben die Dysfunktionalität ihrer Staaten zu verantworten. Österreich geht jetzt in der EU häufig mit Deutschland. Und mit den Niederlanden und Finnland, eben mit den Nettozahlern, die nicht ewig die Unseriosität und die falschen Rezepte anderer finanzieren wollen.

Das könnte wieder unter "Anschluss"-Verdacht gestellt werden – fälschlicherweise. Aber solange etwa das sozialistische Frankreich darauf besteht, retrolinke Fehler stur zu wiederholen, erscheint der deutsche Kurs noch halbwegs rational  und jedenfalls erfolgversprechender. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 3.4.2013)